Cover des Buches Ein Hummer macht noch keinen Sommer (ISBN: 9783442478125)
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Rezension zu Ein Hummer macht noch keinen Sommer von Tanja Wekwerth

Von Handtaschen, Büchern, Krisen und Freunden

von Cappuccino-Mama vor 11 Jahren

Rezension

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Cappuccino-Mamavor 11 Jahren
Pink! Ein knalliges Pink! Unübersehbar! Ich lieeebe diese Farbe, schon von daher wurde ich gelockt - vom Cover dieses Buches. Und dann noch der Titel und die Buchbeschreibung! Der Sommer kommt (zumindest in der Hauptstadt Berlin) ganz offensichtlich farbenfroh daher und meine Neugier auf dieses Buch war geweckt...


Das Cover:

Die Grundfarbe des Buches ist, hatte ich es zufällig bereits erwähnt (?), ein kräftiges Pink. Daher ist das Buch auch nur äußerst schwer zu übersehen. Auf diesem auffälligem Hintergrund befinden sich drei Bordüren in schlichtem Weiß, die die bekannten Bauwerke Berlins zeigen: Den Fernsehturm (der im Buch erwähnt wird), das Brandenburger Tor, sowie weitere Gebäude. Doch halt! In der oberen Bordüre hat sich doch einer eingeschlichen: Gestatten, Howard! Howard, der Hummer! Wohnhaft in Berlin, dem Hitzetod im Kochtopf gerade noch entkommen.

Und wer ist der skeptisch blickende Mops, der dem Betrachter in der linken unteren Buchecke seinen Rücken zukehrt und dabei über seine Hundeschulter blickt? Feivel ist sein Name, auf den er hört – oder auch nicht... (Nein, nicht der Mauswanderer aus dem Zeichentrickfilm! - Auch nicht verwandt oder verschwägert!).

Der Buchtitel EIN HUMMER MACHT NOCH KEINEN SOMMER (ganz offensichtlich eine Abwandlung der Redensart „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“) ist in glänzenden, schwarzen Buchstaben zwischen den Berlin-Szenerien untergebracht.


Die Handlung:

Die Berlinerin Natalie Schilling ist unzufrieden mit dem Leben, das sie führt. Die rothaarige, sommersprossige Singlefrau ist Anfang vierzig, kinderlos und nicht nur mit ihrem Berufsleben als Kochkolumnistin und Moderatorin einer Büchersendung unzufrieden, auch privat könnte es besser laufen. Sie befindet sich mitten in einer Lebenskrise – und sie leidet zudem unter Panikattacken, fühlt sich immer und überall von Zwergen verfolgt, weshalb sie auch Therapiestunden beim Psychologen Theodor Silberstadt in Anspruch nimmt.

Doch nicht nur Natalie ist mit ihrem Leben unzufrieden, sondern auch Psychotherapeut Theodor, der mit seinen fast sechzig Lenzen endlich das perfekte Leben führen will. Der begeisterte Hobbykoch hätte zu gerne, dass der Mann an seiner Seite, mit dem er schon 25 Jahre seines Lebens teilt, endlich bei ihm einzieht. Doch David, der Lebensgefährte, der von der Malerei lebt, befindet sich momentan in einer „Hummerphase“. Und da er nicht gewillt ist, Theodor auch räumlich näherzukommen, trennt er sich kurzerhand von seinem wesentlich älteren Partner, der daraufhin in ein tiefes Loch fällt.

Und dann verliebt sich Natalie urplötzlich in ihren Psychotherapeuten, nicht ahnend, dass dieser schwul ist. Das kann ja nur zu Verwicklungen führen...


Meine Meinung:

Ach, wie habe ich Oma Hertha, die Mutter von Theodor, geliebt. Sie, die liebenswerte alte Dame, ist ein Berliner Original mit einem großen Herzen und vielen Lebensweisheiten. Und sie war wohl mein absoluter Liebling im Buch. Hertha ist einfach die gute Seele, die dazu beiträgt, dass alles wieder gut wird, oder auch nur halb so schlimm ist. Gemeinsam mit der kleinen Rosie und Mops Feivel waren die Drei einfach unschlagbar und sorgten bei mir für so manchen Lacher. Und durch Rosie fühlt sich Thedodo (wie das Mädchen Theodor gerne nennt) sicherlich nochmal so richtig jung...

Natalie mochte ich anfangs nicht sehr gerne. Ich empfand ihr Verhalten gegenüber ihren Mitmenschen als etwas herablassend und Natalie selbst als hochnäsig, aber auch verbittert, so, als hätte sie etwas in ihrem Leben verpasst und wolle ihren Unmut darüber an anderen Leuten auslassen. Doch im Nachhinein betrachtet kompensierte sie damit wohl einige Dinge, die in ihrem Leben nicht so perfekt waren. Und sich mit über vierzig erstmals so richtig zu verlieben – das ist schon reichlich spät.

Natalie schreibt Kolumnen, was sie allerdings nicht so richtig erfüllt. Zudem hat sie eine Literatursendung im Fernsehen und stellt dort Bücher vor, die sie jedoch nicht gelesen hat, was ich anfangs verwerflich fand – sich eine Buchvorstellung aus Internet-Rezensionen basteln, das kann und will ich nicht gutheißen. Aber auch Natalie hasst sich selbst dafür, dafür dass sie so unprofessionell handelt.

Doch als ich dann die Hintergründe für ihr nicht akzeptables Handeln kannte, tat Natalie mir leid und ich verstand ihre Beweggründe. Natalie ist einfach noch nicht „angekommen“ - findet nicht die „Ruhe“, nach der sie sich doch in ihrem tiefsten Inneren so sehr sehnt. Doch - Natalie hatte irgendwann mein Mitleid und ein Stück weit auch mein Verständnis. So steht Natalie mit über vierzig alleine da – gehörte sie früher zu einer Gemeinschaft, im Kreise der Freundinnen, so scheint nun für sie der sprichwörtliche Zug abgefahren zu sein. Die Freundinnen sind längst verheiratet oder haben einen Partner und Kinder, während Natalie immer mehr vereinsamt und dadurch auch zusehens „unleidlich“ wird – sich selbst nicht so recht leiden mag.

Witzig fand ich Natalies Hang zu Fettnäpfchen – diese scheinen sie geradezu magisch anzuziehen und sorgten bei mir während des Lesens immer wieder für Heiterkeit – Schadenfreude ist eben die schönste Freude (sagt man so). Sehr lachen musste ich auch über Natalies Versuch, den schwulen Theodor zu verführen – der dann auch seine humorvolle Seite zum Einsatz brachte, wenn auch im denkbar ungünstigsten Moment.

Etwas schlucken musste ich schon, als Natalie sich abfällig über die „historischen Schinken“ äußerte, die sie nicht mochte, über die sie aber dennoch lobend äußern musste (!). Ich selbst liebe eben diese erwähnten Romane – samt der darin befindlichen Huren und Hebammen...

Theodor wirkt auf mich nicht gerade wie ein selbstsicherer, von sich überzeugter Psychologe, sondern machte auf mich vielmehr einen etwas verunsicherten Eindruck. Er wäre also so gesehen selbst ein Fall für „die Couch“ gewesen. Und irgendwie ist er auch etwas genervt von seinen Patienten, die ihn als seelischen Mülleimer benutzen, während er sein Herz niemanden so recht ausschütten kann (oder will). Kein Wunder, wie ich fand, dass Theodor gerade in einer äußerst schweren Phase steckt. Man(n) macht sich schon seine Gedanken, wenn man nach einer so langen Beziehung (scheinbar) aus heiterem Himmel verlassen wird. Aber eines merkt Theodor: Natalie mag er gerne, und er hätte sie sehr gerne als Freundin, haben doch beide einige Gemeinsamkeiten, so z.B. die Liebe zu gutem Essen. Doch leider ist sie ja seine Patientin und damit für ihn tabu – selbst als platonische Freundin.

Theodor wurde als humorvoll beschrieben, wovon ich anfangs nichts bemerkte, vielmehr empfand ich ihn anfangs eher als etwas steif, fast schon verklemmt und humorlos. Doch als Theodor dann im Laufe der Handlung lockerer wurde, entdeckte ich auch diese liebenswerte Seite an ihm und fand ihn zusehens sympathischer. Aber bei der resoluten Oma Hertha, die, trotz dass sie es nicht immer leicht hatte im Leben, dennoch lebensfroh ist, hat Trübsinn wohl auch gar keine Chance...

David liebt seine achtzigjährige „Schwiegermutter“ Hertha ja abgöttisch, und trotz der Trennung von Theodor will er keinesfalls auf ihren Rat und ihre Gesellschaft verzichten. Und Hertha liebt „ihren Jungen“ ebenfalls – auch wenn sie immer wieder mit ihm „schimpft“, wenn er die alte Dame mal wieder hochhebt. Ruth, Davids Mutter, ist vollkommen anders als die herzensgute Hertha. Ruth kann und will Davids Schwulsein einfach nicht akzeptieren („so etwas“ passt nicht in ihr Weltbild) und so lässt sie ihn, den eigenen Sohn, regelrecht fallen - wie eine heiße Kartoffel. Das fand ich sehr schade und nicht nachvollziehbar, vor allem nach so vielen Jahren. Und so freute mich daher sehr über das herzliche Verhältnis von Hertha und David.

Doch leider ist David nicht der Treuste und nutzt es aus, dass er sein Atelier, fern seines Lebensgefährten hat. Der junge Mann jedoch, mit dem er sein Bett ab und an teilt, entwickelt sich zur regelrechten Plage und Tim-Luzifer, wie David ihn insgeheim nennt, nervt ihn nur noch mit seinem Verhalten. Das habe ich David dann aber auch von Herzen gegönnt! Sollte er doch ruhig merken, was er an seinem langjährigen Freund hat und dass Jugend nicht alles wettmacht, sondern dass ein jugendlicher Liebhaber auch Anstrengung bedeuten kann – und sei es auch nur durch einen ausschweifenden Lebensstil. Doch mit seinem Modell Tim hat sich David ja ein richtig faules Ei ins Nest gelegt. Aber es sollte ja wohl ein Leichtes sein, den jungen Amerikaner Tim, der recht oberflächlich ist, loszuwerden...

Den alleinerziehenden Apotheker Rudolf Euter (Was für ein Name!) und seine siebenjährige Tochter Rosie fand ich toll. Herzerfrischend brachten sie durch ihre Freundschaft mit dem Kunstmaler David frischen Wind in die Geschichte. Ja, Tiere und Kinder machen sich in Büchern immer wunderbar. Und vielleicht findet ja auch Natalie Gefallen am Vater-Tochter-Gespann!?

Mir gefiel aber auch die heimtückische und hinterlistige kleine violette Handtasche von Natalie. Lisa, die Listige (wie sie genannt wurde) wurde regelrecht vermenschlicht. Die Arme litt unter Magenproblemen, stürzte sich todesmutig von Stuhllehnen in die Tiefe und erbrach dann dort all das, was den kleinen Handtaschenmagen plagte und über Gebühr strapazierte, z.B. Tampons,... - und wer sich mit der Materie auskennt, weiß über das Fassungsvermögen selbst kleiner Taschen und die Vielzahl der „Inhaltsstoffe“ Bescheid. Ich vermute mal, die meisten sind Insider, denn ich gehe davon aus, dass die Mehrzahl der Leser weiblichen Geschlechts ist!

Und letztendlich zur Titelfigur: Den Hummer! Howard, seines Zeichens Davids Modell, Inspiration, seine Muse, kam recht selten zum Einsatz. Er entkam den Kochtopf, was ich sehr lobenswert finde, zumal ich nichts von der barbarischen Zubereitung dieses edlen Tieres halte. Und so schwimmt (oder krabbelt) Howard nun bis ans Ende seiner Tage im Aquarium eines Berliner Zoos und freut sich seines Lebens. (Obwohl Theodor, der ja ein leidenschaftlicher Koch ist, ihn doch nur zu gerne zubereitet hätte).

Sehr schön fand ich die Idee, dem Buch einen Anhang hinzuzufügen, in dem die Örtlichkeiten in Berlin kurz vorgestellt werden, welche in der Handlung erwähnt werden. So kann man, sollte man (mal) in Berlin sein, auf Natalies Spuren wandeln. Eine Unterteilung in Kapitel habe ich etwas vermisst – ich liebe Kapitel mit witzigen Überschriften – wirklich gestört hat es mich aber nicht, denn letztendlich zählt ja die Handlung.

Und was nehme ich aus dem Buch mit? Es ist toll Freunde zu haben – egal wie bunt zusammengewürfelt diese auch sind. Es ist nie zu spät, einen Neuanfang zu wagen, Sinnkrisen können überwunden werden - und: Ein Gartenzwergmord kann ein regelrechter Befreiungsschlag sein...


Fazit:

Ein humorvoller und dennoch tiefsinniger (Frauen-)Roman, der jedoch auch nachdenklich stimmt. An den entsprechenden Stellen wunderbar warmherzig erzählt, kurzweilig und mit Lokalkolorit, in dem das Thema Beziehung und Freundschaft gekonnt und auf bezaubernde Weise umgesetzt wurde – unterschiedliche Charaktere fanden hier zusammen. Von mir gibt es für dieses Sommerbuch (das man selbstverständlich auch zu anderen Jahreszeiten lesen kann) eine Leseempfehlung, sowie 5 Sterne.

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