TW: Genozid, Völkermord, Gewalt
Was Tanya Pyankova hier in ihren #Roman schreibt, ist der wahr gewordene Albtraum, eine von Statten gegangene Horrorvorstellung, schlimmste Angst, lebensbedrohlich, entsetzlich, Grauen erregend, ergreifend, erschreckend, tödlich.
In den 1930ern, vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, besetzte die UdSSR die Ukraine und hungerte die Menschen dort aus. Es war eine künstlich erzeugte Hungersnot, wo alles streng rationiert wurde. Es gab nichts mehr zu essen. Nichts! Denn das, was es noch IRGENDWO (versteckt) gab, wurden räuberisch und gewaltsam von den Männern, die unter Stalin tätig waren, aus den Häusern gestohlen, geplündert. Die Menschen verhungerten auf furchtbarste Art, Frauen setzten ihre Neugeborenen aus, da sie sie nicht mehr ernähren konnten, Hunde und Katzen wurde gegessen, Leichten wurde gegessen. Ein Zustand, den ich mir gar nicht ausmalen kann. „Holodomor“ Tötung durch Hunger. Ein Trauma, das vermutlich nie vergehen wird! Ich hoffe, sie schmoren alle in der Hölle!
„Um mich herum gibt es immer weniger Menschen. Menschen verkümmern, Menschen verschwinden, lösen sich auf im Zwielicht, gehen hinein in ihre vier Wände, schließen die Tür hinter sich und kommen am nächsten Morgen nicht wieder heraus. Menschen verlassen mich, gehen ohne Abschied, verlöschen wie die Glut eines niedergebrannten Feuers, unbemerkt, spurlos, unwiderruflich.“ (S. 119)
Aus drei Erzählperspektiven spüren wir die Geschichte. Aus der Sicht von Swyryd, Dusja und Solja. Dusja und ihre Familie befinden sich in der Situation des Hungers; nicht mehr wissen wie sie sich noch nähren können, um irgendwie bei Kräften zu bleiben. Swyrid, Befehlsempfänger der Sowjets, der mit sich selbst und den zu durchführend Aufgaben hadert. Und als Dritte, Solja, die keinen Hunger „erleiden“ muss wie die anderen, aber dennoch hungert, weil sie zu den „wohl genährten“ zählt und durch ihr Trauma nie genug davon bekommen kann. So zwingt ihr Mann sie dazu, sich von den überflüssigen Pfunden zu befreien. Von all dem Leid um sie herum, bekommt Solja gar nichts mit, bis zum Tage x.
„Wir können nicht mehr schlafen – wir suchen jetzt sofort das Glück. Wir beißen uns vor Hunger in die Fäuste, die Kerzen haben wir gegessen […]. Hunger, gib uns Brot!“ (S. 212)
Ein Buch, dass wie der Hammer von Thor, mit voller Wucht daherkommt. Bildgewaltig und schonungslos beschreibt die Autorin den Hunger, der die Menschen tötet und leiden lässt; treibt die Story voran; der die tiefsten Abgründe der menschlichen Psyche skizziert. Die Menschen so handeln lässt, dass sie bewusst Recht von Unrecht nicht mehr unterscheiden (wollen). Dinge nicht hinterfragen, sie einfach tun. Nur um selbst zu überleben? Und mit diesen Gedanken ihre Handlungen rechtfertigen? Ich möchte gerne wissen, was diese Menschen dachten, als sie solche Entscheidungen trafen!
Hunger ist hier ein stummer, leiser Tod, der schleichend umher und durch die Dörfer zieht, bis er sein nächstes Opfer holen kann. Und das ist alles von Menschenhand gemacht. Gräueltaten, die Menschen anderen Menschen zufüg(t)en. Unvorstellbar und dennoch so wichtig, dass Pyankova dies aufgreift, den Menschen ihre Stimme gibt und dies in einen aufwühlenden Roman verpackt, der einen würgend und unfassbar zurücklässt! #Leseempfehlung!