Cover des Buches Sarahs Schlüssel (ISBN: 9783827007001)
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Rezension zu Sarahs Schlüssel von Tatiana de Rosnay

Rezension zu "Sarahs Schlüssel" von Tatiana de Rosnay

von FabAusten vor 12 Jahren

Rezension

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Sarahs Schlüssel

Paris, den 16. Juli 1942 Ein Mädchen und seine Familie werden mit unzähligen anderen jüdischen Familien von der französischen Polizei verhaftet und in das Radrennstadion Vélodrome d'Hiver gebracht. Unter schlimmsten Bedingungen harren die Menschen aus bis sie in ein Lager außerhalb von Paris transportiert werden. Dort werden die Eltern gewaltsam von ihren Kindern getrennt und schließlich alle nach Auschwitz deportiert. Fast alle. Das Mädchen kann fliehen. Beseelt von einem einzigen Gedanken. Er gibt ihr Kraft, weiterzulaufen obwohl sie weiß, dass ihre Eltern wahrscheinlich tot sind. Es ist der Gedanke an ihren Bruder. An ihren Bruder, den sie in einem Schrank in der Wohnung versteckt hat. Sie muss ihn retten. Das ist alles was jetzt noch zählt…

Sechzig Jahre später soll sich die Journalistin Julia Jarmond anlässlich des Jahrestags mit den Ereignissen von „Vel d’Hiv“ beschäftigen. Während sie private Sorgen plagen, verfolgt sie die Spur der Deportierten. Immer mehr fühlt sie sich verantwortlich, diese vor dem Vergessen zu retten. Und dann muss sie erfahren, dass die Ereignisse mehr mit ihrem Leben zu tun haben, als sie je hätte ahnen können. …. Dieser Roman macht es mir nicht leicht. Obwohl ich finde, dass er einige Schwachstellen aufweist, hat er mich auf eigentümliche Weise berührt und beeindruckt.

Die Romanstruktur entspricht einer Schnitzeljagd, in der Sarahs Geschichte immer mehr Kontur annimmt. Das ist wirklich gut umgesetzt, denn so werden die Details erst nach und nach bekannt. Außerdem sind die Entwicklungen nicht vorhersehbar und sehr dramatisch.

Anfangs gibt es zwei Erzählstränge und zwar einen aus Sarahs Sicht und einen aus Julias Perspektive. Sie wechseln sich ab und stehen gleichwertig nebeneinander. Weder habe ich den einen noch den anderen Teil bevorzugt. Gerade die Abwechslung zwischen Sarahs und Julias Geschichte ist spannend, denn während man das eine liest, wartet man schon darauf, wie es bei der anderen weitergeht. Als Sarahs Perspektive plötzlich aufhörte, fehlte etwas. Vor allem weil mir die Figur der Julia ohnehin nicht uneingeschränkt sympathisch war und ihre persönlichen Probleme einen zu großen Platz beanspruchten. Insgesamt enthält die Erzählung aus Julias Perspektive zu viele unnötigen Beschreibungen, Dinge und Personen. Die Namen ihrer Freunde und Verwandten sind kaum auseinander zuhalten. Ihr gesamter Lebenslauf wird erörtert. Am Ende zieht es sich sehr in die Länge, die Details über Julia werden immer lästiger. Ihr Leben und Leiden waren ohnehin eher von sekundärem Interesse für mich, solange sie nichts mit Sarah zutun hatten. So wartete ich sehnsüchtig auf die Abschnitte, die Sarahs Geschichte betrafen.

Es gibt ein paar unglücklich gewählte Formulierungen. Zum einen wird immer wieder von der „Zusammentreibung“ der Menschen im Vél d’Hiv gesprochen. Dies erinnert stark an die Zusammentreibung von Vieh. Doch obwohl die meisten Gendarmen sicher gehandelt haben als handelte es sich um Vieh, so waren es Menschen. Ich hätte eine andere Bezeichnung bevorzugt oder wenigstens hin und wieder eine andere Formulierung. Außerdem erklären verschiedene Charaktere, dass es sich bei den Deportierten doch um Franzosen gehandelt habe. Dass sie in Frankreich geboren worden wären. In meinen Ohren klingt das, als wäre dies besonders verwerflich. Als wäre es bei Fremden, bei ausländischen Juden weniger barbarisch gewesen. Bestimmt hat Tatiana de Rosnay es nicht so gemeint, aber es hinterließ einen fahlen Nachklang.

Ungeachtet der Unzulänglichkeiten hat Sarahs Schlüssel große Kraft. Diese liegt nicht so sehr auf literarischer Ebene als im Kern der Geschichte, ihrer menschlichen Dimension. Tatiana de Rosnay hat Sarahs Schicksal und ihre Gefühlswelt in allen Facetten glaubwürdig dargestellt. Die Geschichte um Julia ist lediglich das Vehikel, um die Ereignisse um das Vél d’Hiv zu zeigen. Verständlich zu machen, dass die Geschehnisse jener grausamen Zeit unsere Gegenwart weiterhin mitbestimmen Dass es kein Vergessen geben darf.

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