Rezension zu "Der Rule Breakers-Investmentratgeber" von The Motley Fool
Das ist doch mal eine attraktive Aufforderung. "The Motley Fool" wurde 1993 von den Brüdern David und Tom Gardner gegründet und bezeichnet sich selbst als "ein Multimedia-Unternehmen für Finanzdienstleistungen" mit dem Anspruch, die "beste Investment-Community der Welt" zu schaffen. Mit dieser Broschüre des Unternehmens soll vermutlich der deutsche Markt erschlossen werden. Aber bekanntlich ist der Deutsche an sich äußerst vorsichtig und hält Aktien für hochriskant. The Motley Fool hat sich vorgenommen, dies nun grundlegend zu ändern. Man kann gespannt sein, ob das klappt. Vermutlich lesen Menschen, die nichts mit Aktien zu tun haben wollen, solche Bücher eher nicht.
Wieder einmal geht es darum, den Markt zu schlagen, denn nur das steckt hinter der Behauptung, man könne mit den Ratschlägen aus diesem Büchlein die 1000%-Chancen von morgen finden. Chancen steht da, nicht mehr. In den seit der Gründung des Narren-Unternehmens vergangenen 14 Jahren schlugen seine Macher den Vergleichsindex S&P 500 deutlich. Sie erzielten eine Performance von knapp 140%, der Index nur die knappe Hälfte davon. Das hört sich attraktiv an, zumal man in der Tat einige von den sogenannten Verzehnfachern im Depot hat. Ohne die Fähigkeiten der Macher von The Motley Fool infragezustellen , sollte man allerdings in Betracht ziehen, dass 14 Jahre zwar gemessen an der Lebenserwartung eines Menschen eine sehr lange Zeit, jedoch statistisch gesehen zu kurz sind, um wirklich sicher zu sein, dass die Performance dieses Unternehmens tatsächlich nachhaltig den Index schlägt.
Dieser regelbrechende Investmentratgeber stellt eine Variante des Value-Investierens dar. Um die Verzehnfacher von morgen zu finden, muss man den richtigen Riecher für Zukunftsmärkte besitzen. Leider erweisen sich die Hinweise in diesem Buch gelegentlich auch als hohle und manchmal deshalb witzige Phrasen. Beispiel: "Wir sind Fools und mögen keine konventionellen Weisheiten (zumindest dann nicht, wen sie nicht funktionieren)." Weisheiten, die nicht funktionieren, sind keine Weisheiten. Oder: "Wie bei Brettspielen ist es auch beim Investieren lohnenswert, nicht das zu tun, was alle anderen tun, sondern das Gegenteil." Klingt bezaubernd, doch wenn niemand die Aktien kauft, die ich gekauft habe, steigen sie auch nicht.
Ein Kleinanleger, und an diese Menschen richtet sich das Buch, muss eine Menge Arbeit hinter sich bringen, wenn er dem Narrenansatz aus diesem Buch folgen möchte. Die Autoren definieren eine Aktiengesellschaft, die ihrem Ansatz genügen soll, so:
1. Das Unternehmen muss in einer wachsenden und wichtigen Industrie tätig sein,
2. es muss ein Platzhirsch sein und ein gewisses Etwas besitzen,
3. es muss einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil aufweisen,
4. es muss von visionären Managern geführt und von smarten Kapitalgebern unterstützt werden,
5. Leistungen und Produkte des Unternehmens müssen attraktiv für den Konsumenten sein und
6. die Aktien des Unternehmens müssen überbewertet sein.
Bis auf den letzten Punkt gibt es also keinen wesentlichen Unterschied zum gewöhnlichen Value-Investieren. Und wenn man sich die einzelnen Punkte etwas genauer überlegt, dann wird man feststellen, dass dort sehr viel Subjektivität bei den Einschätzungen eine Rolle spielt. Und darüber hinaus sollte man auch noch alles anders machen als der Rest, was eine besonders lustige Aufforderung ist.
Obwohl die sechs Punkte im Buch etwas genauer erklärt werden, bleiben sie natürlich dennoch nur allgemeine Forderungen. Rückwärts betrachtet kann man zahlreiche Beispiele von US-Gesellschaften finden, die alle diese Kriterien erfüllten. Dummerweise muss man jedoch vorwärts handeln, also in Werte investieren, von denen man zunächst glaubt, dass sie allen diesen Kriterien genügen. Darüber hinaus wird kaum ein Kleinanleger in der Lage sein, sich aus erster Hand so zu informieren, wie das die Autoren eigentlich meinen sollten. Vielmehr muss er sich auf Informationen aus zweiter Hand zurückziehen, selbstverständlich auch auf die von The Motley Fool. So viel zum Versuch, alles anders zu machen als andere.
Wer nun glaubt, dass alle über 300 Gesellschaften, die von den Gardners ausgewählt wurden, die totalen Bringer waren, dann erweist sich auch das selbstverständlich als Irrglaube. Man erfährt in diesem Buch von Buchverlusten von mehr als 50 Prozent, was für risikoscheue Menschen der absolute Albtraum ist und deshalb in einem Trauma enden würde.
Kurz gesagt: In diesem Büchlein steht sicher nichts Falsches und auch manch hilfreicher Rat für Menschen, die dem Value-Investment-Ansatz folgen möchten. Immer wieder entstehen Unternehmen, die eine ganze Branche revolutionieren, die also zu den sogenannten kreativen Zerstörern zählen. Sie zu finden, ist die eigentliche und in der Tat nicht ganz einfache Aufgabe, die dieses Buch stellt und dann nur sehr allgemein beschreibt. Abhängig vom eigenen Optimismus kann man diesem Buch alles zwischen drei und fünf Sternen geben.