Cover des Buches Die deutsche Seele (ISBN: 9783813504514)
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Rezension zu Die deutsche Seele von Thea Dorn

Rezension zu "Die deutsche Seele" von Thea Dorn

von M.Lehmann-Pape vor 12 Jahren

Rezension

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M.Lehmann-Papevor 12 Jahren
Vom Abendbrot zur Zerrissenheit „Dies ist ein Buch, in dem du nicht gewarnt wird vor dem Deutschen“. Und: „Wir machen uns keine Sorgen, dass Deutschland sich abschafft. Wir sehen nur, dass es sich herunterwirtschaftet, sein Gedächtnis verliert“. Zwei Sätze aus dem Vorwort, die Atmosphäre und Stil des Buches durchaus zutreffend vorweg beschreiben. Die deutlich machen, dass in positiver, würdigender Weise die beiden Autoren sich jenem „Gedächtnis“ verhaften, dass in ihren Augen verloren zu gehen droht. Was dieses Land eigentlich ist, jenseits von „lexikalischer Auskunft“, von nüchternen Fakten. Wie also stellt sie sich dar, die deutsche Seele? Der die Autoren in vielfacher Hinsicht, alphabetisch in den Themenbereichen geordnet, essayhaft nachgehen. Abendbrot und Arbeitswut finden sich neben Bierdunst und Dauerwelle. Doktor Faust muss ja erwähnt werden, aber auch der Fußball und die Gemütlichkeit. Gründerzeiten werden betrachtet, die Neigung zum Kitsch ebenso aufgegriffen wie das Mutterkreuz, das deutsche Pfarrhaus. Aber auch der Schrebergarten findet sich neben dem Sozialstaat wieder, Winnetou hat seinen Auftritt, der Vater Rhein fließt langsam durch die Zeilen und die Wanderlust lässt ihren Tritt erschallen. Mithin gelingt es den Autoren, eine große Breite der Darstellung aufzunehmen, von Hochkultur über gesellschaftlich prägende Epochen, von der „deutschen Gemütlichkeit“ hin zum Stammtisch, von Krieg und Frieden bis zur Landschaftsbetrachtung. Kitsch, Spießigkeit, Bürgertum, intellektuelle Weite und verengtes Leben, ganz erstaunlich ist es, diese Vielfalt zu lesen und in jedem einzelnen abschnitt Wiedererkennungserlebnisse zu erhalten. Das alles gehört tatsächlich dazu, das ist die erste Essenz der Lektüre. Zudem gelingt es beiden Autoren tatsächlich, den positiven Grundton durchweg beizubehalten, ohne undifferenziert in Formen von Volksromantik abzugleiten. Im Kapitel über den „Bergfilm“ findet sich so durchaus das Kritische, das Verherrlichende, das „Riefenstahl“ Syndrom, aber eben nicht als den eigentlichen Tenor des Essays. Welche Sehnsucht diese Filme zu Zeiten erfolgreich machte, welche Werte mit transportiert wurden in den einfachen Aussagen, wie der Wunsch nach Harmonie sich darin darstellt und wie es hinter den Fassaden aussieht unter den Filmschaffenden selbst, das ist schon gut und informativ zu lesen. Oder die Würdigung der „vier Mütter des Grundgesetzes“, aber auch der intelligente Blick auf die „Verfasstheit“, welche die Verfassung in den Raum zu setzen hatte lesen sich hoch interessant gerade auf der Blaupause des Nationalsozialismus. Hier räumen die Autoren durchaus auf mit dem Vorurteil, die „deutsche Kultur ist nationalsozialistisch“. Das Buch bildet eine gut zu lesende, fundierte, gehaltvolle und ausgewogene „Mentalitätsgeschichte“ der deutschen Kultur und bildet damit ebenso die Gegenwart mit ab. Jedes der Essays hellt dabei in sich ein stückweit auf, wie Mentalitäten entstanden sind, worin sie sich ausdrücken und wie diese das Heute der Gesellschaft in großer Vielfalt prägen. Es steht eben Volksmusik neben Goethe, Schrebergarten neben intellektueller Weite, Kleinstaaterei und geistige Enge neben der Kulturnation, Bierdunst neben Forschungsreisen. Interessant zu lesen in dieser Form und dieser Zusammenstellung.
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