Cover des Buches Effi Briest (ISBN: 9783596512089)
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Rezension zu Effi Briest von Theodor Fontane

Effi Briest (Reclam-Ausgabe)

von ErinaSchnabu vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Ein sprachlich und historisch wertvoller Roman über eine Kind gebliebene Frau, die sich nach nichts mehr sehnt, als Zerstreuung.

Rezension

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ErinaSchnabuvor 7 Jahren

„Effi Briest“ kannte ich bereits als Verfilmung von 2009. Ich mochte die Geschichte sehr gerne. Allgemein bin ich für Ehebruchgeschichten aus dem 18. bis 19. Jahrhundert immer zu haben. Deshalb musste ich auch den Roman lesen. Es musste sowieso mal wieder ein Klassiker sein. Den Roman hatte ich, in Form einer 80er-Reclam-Ausgabe, schon einige Jahre hier liegen. Ich hatte das Buch mal aus der Schule mitgenommen, wo ein Karton mit aussortierten Büchern herumstand. Der Griff hatte sich gelohnt.

Inhalt
Effi ist 17 Jahre alt, als der 38-Jährige Baron von Innstetten um ihre Hand anhält. Mehr oder weniger auf Drängen ihrer Eltern heiratet sie ihn und zieht mit ihm in seine Heimat Kessin in Hinterpommern. Bereits als ledige junge Frau war ihre größte Angst die Langeweile und diese ist es auch, warum sie in ihrer neuen Heimat nie richtig glücklich wird. Effi sehnt sich nach ihrer Familie und ihren Jugendfreundinnen, sie fühlt sich alleine und sucht „Zerstreuung“: „Liebe kommt zuerst, aber gleich hinterher kommt Glanz und Ehre, und dann kommt Zerstreuung - ja, Zerstreuung, immer was neues, immer was, dass ich lachen oder weinen muss“. Hinzu kommt, dass sie sich in dem Haus fürchtet. Ihrer Meinung nach spukt es in dem Haus, was ihre Bedienstete auch bestätigt. Einzig ihr Hund Rollo und ein guter Freund ihres Mannes Alonzo Gieshübler können sie ablenken. Mit ihrem Hund unternimmt sie Spaziergänge und der Familienfreund lenkt sie mit kleinen Aufmerksamkeiten ab.

9 Monate nach der Hochzeit wird Annie geboren. Roswitha, eine Frau, die Effi beim Spaziergang kennen lernt, wird das Kindermädchen und etwa zeitgleich tritt auch der Major von Crampas in Kessin auf, ein gutaussehender Lebemann, der mit Geert Innstetten zur selben Zeit beim Militär war. Er ist selber nicht allzu glücklich verheiratet und umso charmanter zu anderen Frauen, vor allem Effi.
Es kommt irgendwann zu einer Affäre zwischen Crampas und Effi, was ihr Gewissen plagt. Jedoch schafft sie es nicht von alleine, diese Situation zu beenden.
Regelrecht dankbar ist sie, als Innstetten verkündet, dass sie nach Berlin umziehen werden, um eine Stelle im Ministerium anzunehmen.

Einige Jahre später, als Effi auf Kur ist, entdeckt Innstetten Briefe und ihr und Crampas aus der sündigen Zeit. Er reicht die Scheidung ein und fordert Crampas zum Duell auf, wobei er ihn erschießt. Effi wird von ihren Eltern verstoßen, erhält lediglich finanzielle Unterstützung von ihnen und wird von ihrer Tochter Annie getrennt, da diese beim Vater bleibt. Effi wird von Tag zu Tag unglücklicher in ihrer neuen Lebenssitutation, bis es sich scheinbar zum Besseren wendet…

Meine Meinung
Ich habe nun fast einen ganzen Monat mit Effi und ihrer Geschichte verbracht und fand mehrere Dinge recht interessant.
Spannend ist, dass dieser Roman durch und durch preußisch ist. Er stellt preußische Sitten und das Wesen der Preußen dar. Effis Mann Innstetten ist preußisch bis aufs Blut: Er hält sich an Regeln und Prinzipien, ist im Großen und Ganzen ein ernster Mann und verpflichtet sich der Karriere. „Was man empfängt, hat man auch verdient.“
Auch Fontanes Sprache ist passend dazu preußisch-steif, ein wenig geschwollen. Trotzdem fiel es mir leicht, über die Zeilen zu fliegen.

„Effi Briest“ war einer der ersten deutschen Gesellschaftsromane und ist meiner Meinung nach ein interessantes Zeugnis einer Zeit, in der Frauen dem Manne untergeordnet waren und in der Prinzipien galten, die heute undenkbar wären. Der Roman „Buddenbrooks“ von Thomas Mann erschien kurz nach „Effi Briest“ und es lassen sich einige Parallelen feststellen: Effi scheint Tony Buddenbrooks literarische Schwester zu sein. Beide sind sie wenig damenhaft, sie lieben es, unterhalten zu werden und sind von Haus aus recht verwöhnt. Sie verlieren sich schnell in Träumereien und erwischen Ehemänner, bei denen sie sich langweilen und/oder unglücklich sind. Der Name „Buddenbrooks“ scheint auch vom Roman „Effi Briest“ inspiriert zu sein, da dort eine Person namens Buddenbrook auftaucht.
Die Prinzipienreiterei ist eines der größten Motive in diesem Roman, wenn nicht sogar das größte. Man meine, es ginge um Ehebruch, aber viel mehr dient dieser dazu, gesellschaftliche Umstände, in einer tragischen Geschichte verpackt, zu beschreiben. Denn alle möglichen Personen halten sich an Prinzipien und Konventionen, von denen sie eigentlich gar nicht viel halten: Innstetten fordert Crampas zum Duell auf und trennt sich von seiner Frau, um seine Ehre wieder herzustellen. Er weiß jedoch selber, dass dieses Ritual altmodisch ist und er hätte vermeiden können. Auch die Scheidung hätte er sich am liebsten gespart. Effi hätte er verzeihen können, die Affäre ging ihm nicht so nah, wie er anfangs dachte, auch bemerkt er, nach einigen Jahren, dass es ihm nach der Scheidung schlechter geht, als vorher. Trotzdem entscheidet er sich so, um sein Gesicht in der Gesellschaft zu wahren.
Effis Eltern handeln ähnlich, indem sie sie verstoßen. Effi hat bei ihren Eltern kein zu Hause mehr, weil diese, wie ihr Ehemann, ihr Gesicht in der Gesellschaft wahren wollen.

Wie der Autor tabubeladene Dinge thematisiert, zeigt, in was für einer Gesellschaft er sich befand, als er seinen Roman schrieb. Vieles in dieser Geschichte wird umschrieben, Dinge geschehen subtil. Explizit wird nur ein Kuss zwischen Effi und Crampas genannt. Die Affäre als solches, die ständigen Treffen, sind während des Großteils des Romans kaum ersichtlich. Ich dachte beim Lesen zuerst, dass Effi und Crampas sich nur geküsst hätten, dass sie deshalb ein schlechtes Gewissen hatte, was vor allem zu dieser Zeit ja durchaus ausreichend war. Erst als Innstetten ihre Briefe fand, wurde mir bewusst, dass Effi eine richtige Affäre gehabt hatte. Ich lebte fast in derselben Unklarheit wie ihr Mann. Selbst Effis Schwangerschaft, die legal durch die Ehe zustande kam, wurde nicht explizit ausgesprochen, sondern poetisch verklärt und dem Leser nicht direkt auf die Nase gebunden.

Im Sinne der Literaturepoche des Realismus werden Umstände und Ereignisse von Theodor Fontane erzählt, jedoch nicht bewertet. Als Autor tritt er da einen Schritt zurück, er scheint in den Hintergrund getreten zu sein, um den Leser entscheiden zu lassen, was er für (moralisch) richtig oder falsch empfindet. Denn oftmals stößt der Leser auf Situationen, die die moralische Bewertung fordern.

Dieser Roman hat jedenfalls Lust auf mehr gemacht und ich bin geneigt, weitere Ehebruchklassiker wie „Madame Bovary“ oder „Anna Karenina“ eines Tages zu lesen.

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