Rezension zu "Der Judenstaat" von Theodor Herzl
Das 1896 erschienene Werk "Der Judenstaat" stellt den bekanntesten Text des österreichisch-ungarischen Schriftstellers und Publizisten Theodor Herzl dar. In ihm schildert er auf umfassende und prägnante Weise die Bildung eines eigenen Staates für die zur damaligen Zeit noch durch die Diaspora gekennzeichneten Juden. Er beschreibt die Gründung einer rechtlich agierenden Jewish Company und einer auf sittlich-moralischer Ebene funktionierenden Society of Jews. Diese beiden Institutionen ermöglichen den zerstreut lebenden Juden nach der Landnahme entweder in Palästina oder Argentinien die Abwanderung aus den antisemitischen Ländern und den Aufbau eines Staates nach eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen.
Der Text beginnt sachlich und prosaisch. Die Idee des Judenstaates wird vor dem Hintergrund des alles verschlingenden Antisemitismus geboren, welchem sich die Juden weltweit seit Jahrhunderten ausgesetzt sehen. Aus dieser Rechtfertigung heraus erarbeitet Herzl die Organe und Suborgane des künftigen Staates. Leider gerät der Ton der Schrift mit zunehmender Dauer ins pathetische. Damit macht sich "Der Judenstaat" gegenüber Zweiflern angreifbar. Häufig wird das Entgegenkommen und Wohlwollen der antisemitischen Länder vorausgesetzt, an anderer Stelle die menschliche Güte aber in Frage gestellt. Es sind kleine Widersprüche wie dieser und allzu freimütig formulierte Hoffnungen und Wünsche an anderer Stelle, welche die Schrift leider ihrer Strahlkraft berauben. Zu Lebzeiten hatte "Der Judenstaat" keinen Erfolg. Erst 40 Jahre nach dem Tod Theodor Herzls wurde mit Israel endlich der Staat gegründet, den sich der verfechter der zionistischen Staatsidee gewünscht hatte. Der Text bleibt trotz seiner Mängel ein wichtiges Beispiel für das Autonomie- und Emanzipationsbestreben der Juden in aller Welt, die heute unter nicht weniger Schwierigkeiten zu leben haben wie zur Schaffenszeit des Autors.