Cover des Buches Die Optimierer (ISBN: 9783404208876)
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Rezension zu Die Optimierer von Theresa Hannig

Überzeugt auf ganzer Linie

von Lovely_Lila vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Eine erschreckende, faszinierende Dystopie, die auf ganzer Linie überzeugt!

Rezension

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Lovely_Lilavor 6 Jahren
* Spoilerfreie Rezension! *

~ Ein interessantes, absolut spannendes Debüt, das auf ganzer Linie überzeugt. Theresa Hannigs Zukunftsvision ist ebenso faszinierend wie erschreckend und glänzt mit einer glaubwürdigen, authentischen Hauptperson, mit einem präzisen, flüssigen Schreibstil, mit unerwarteten Wendungen und einem Ende, das es in sich hat. ~

Inhalt

Samson Freitag ist Lebensberater in der Optimalwohlökonomie – einer neuen Gesellschaftsform, durch die es in den vereinigten Ländern Wohlstand und Sicherheit gibt. Der Preis hierfür ist eine lückenlose Überwachung des Einzelnen und ein System, das alles über jeden Bürger weiß (bis hin zum Liebesleben). Samsons Aufgabe ist es, Menschen den für sie perfekten Platz in der Gesellschaft zuzuweisen. Bisher hat er seine Arbeit gut gemacht, er steht kurz vor der Beförderung. Doch dann wird ihm vorgeworfen, bei einer Beratung einen entscheidenden Fehler gemacht zu haben und von diesem Moment an geht es für ihn bergab – mit unglaublicher Geschwindigkeit.

Informationen

Einzelband oder Reihe: Band #1 einer Dilogie (Band 2 erscheint voraussichtlich 2019)
Erzählstil: Figuraler Erzähler, Präteritum, teilweise Präsens;
Perspektive: aus männlicher Perspektive (Samson)
Kapitellänge: kurz bis mittel (ca. zwischen 5 und 12 Seiten)
Tiere im Buch: ++ Es werden im Buch keine Tiere getötet oder gequält. Es wird in dieser Zukunftsvision sogar kein Fleisch mehr verzehrt. Das Essen von Fleisch steht unter Strafe.

Zitate

„Samson holte sich einen Kaffee und ging zu den offenen Arbeitsplätzen. […] Fast alle Plätze waren belegt von Beratern, die recherchierten oder Dossiers fertigstellten. Sie alle schienen auf geisterhafte Art abwesend. Natürlich wusste Samson, dass sie konzentriert virtuelle Dokumente bearbeiteten, doch für einen Außenstehenden wirkten sie wie Marionetten, wie Roboter, die alle im gleichen flüsternden Befehlston murmelten und ferngesteuerte Bewegungen vollführten.“ Seite 131

Meine Meinung

Einstieg & Schreibstil


Der Einstieg fiel mir durch den angenehmen Schreibstil leicht. Dennoch braucht die Geschichte etwas, bis sie ins Rollen kommt, weil die Autorin verständlicherweise zuerst ihren Weltenwurf präsentiert und den LeserInnen ein Gefühl für die „schöne neue Welt“ geben möchte.

Der Schreibstil ist einfach, prägnant und auf den Punkt. Er lässt sich zudem sehr flüssig und leicht lesen und nutzt immer wieder Metaphern und Symbolik, um wichtige Sachverhalte zu verdeutlichen. Das fand ich sehr gelungen! Gefühle schildert Theresa Hannig zudem eindrucksvoll, mitreißend und intensiv. Das ist eine weitere große Stärke des Buches.

Protagonist & Personen

In der zugehörigen Leserunde fanden viele den Protagonisten Samson nicht allzu sympathisch. Das liegt vor allem daran, dass er als „braver Bürger“ absolut vom neuen Gesellschaftssystem überzeugt ist und die Schattenseiten vor allem am Beginn nicht erkennt. Dennoch: Ich fand ihn von Anfang an eine sehr dreidimensionale, authentische Figur, die ich sehr gerne in der Geschichte begleitet habe. Samson ist eben in einer Welt großgeworden, in der diese technologischen Neuerungen einfach zum Alltag gehören und in der einem in der Schule / Ausbildung eingeimpft wird, dass das vorhandene System nahezu perfekt ist. Ein Mensch, der zu Beginn so "tief drinsteckt", der so überzeugt von dieser Gesellschaftsordnung ist, der wird seine Zeit brauchen, bis er tatsächlich einsieht, dass nicht alles so schön ist, wie gedacht. Und dann wäre es noch einmal ein weiter Weg zur offenen Rebellion. Samsons Charakterentwicklung im Laufe des Buches fand ich überaus gelungen und überzeugend – es gab nicht eine Situation, in der ich sein Verhalten nicht nachvollziehen konnte. Auch seine starken Gefühle (der Verzweiflung, der Angst) wurden sehr greifbar und intensiv geschildert, so dass ich vollkommen in die Geschichte eintauchen konnte.

Aber auch die Nebenpersonen, von denen nur sehr wenige eine wichtige Rolle haben, wissen zu gefallen. Auch sie erhalten ihre Stärken und Schwächen, ihre Ängste und Macken. Manche enthüllen sogar Geheimnisse, die man so nie vermutet hätte.

Idee & Themen

Die Autorin hat eine sehr interessante, erschreckende Zukunftsvision geschaffen, die mit jeder Seite runder und überzeugender wird. Manche Dinge sind nicht einmal allzu weit hergeholt. In einem System, das jedem seinen Platz zuweist, sind Fehltritte nicht erlaubt. Jedes Abkommen vom zugedachten Weg zieht (teilweise harte) Sanktionen mit sich. Samson wird zu Beginn für ein Vergehen bestraft, für das er nichts kann – und von diesem Moment an geht es für ihn rapide bergab. Erst jetzt merkt er, wie das System, dessen Vorteile er über Jahre genossen hat, mit jenen umgeht, die sich nicht absolut konform verhalten. Robotern kommt eine sehr wichtige Rolle in der neuen Gesellschaft zu – eine Entwicklung, die es tatsächlich (wenn auch vielleicht nicht in diesem Ausmaß) in unserer Zukunft geben könnte. Auch sonst glänzt die Autorin mit vielen eigenständigen, frischen Ideen, die ein sehr gelungenes Gesamtbild ergeben. Es macht beim Lesen sehr viel Spaß, dieses zu erkunden.

Die Themen, die behandelt werden, sind vielfältig. Es geht um das blinde Vertrauen in ein System, das angeblich nur das Beste für jeden Menschen will, um das Entdecken von unerwarteten Schattenseiten, um das Ausgrenzen von Menschen und das „therapieren“ dieser, wenn sie den Erwartungen nicht entsprechen oder es wagen, das angeblich optimale System zu kritisieren. Auch die Frage nach der Wahrheit steht immer wieder im Mittelpunkt.

Atmosphäre

Beim Lesen entfaltet sich eine besondere Atmosphäre: Teilweise erscheint das Buch fast kafkaesk, nicht zuletzt durch den Protagonisten und die seltsamen und unheimlichen Entwicklungen, die die Geschichte stellenweise nimmt. Insgesamt dominiert besonders in der zweiten Hälfte ein Gefühl von Verzweiflung und Misstrauen, weil es Samson unmöglich gemacht wird, wieder in der Optimalwohlökonomie Fuß zu fassen. Aber auch Faszination ist immer wieder vorhanden, sei es wegen der unglaublich hoch entwickelten Roboter oder wegen der tollen Erzählung insgesamt.

Spannung

Auch wenn die Geschichte nicht superspannend beginnt: Die Spannung baut sich mit jeder Seite mehr auf, wird anschließend konstant hoch gehalten und mündet in einem fantastischen Ende, das mich mehr als begeistern konnte. Immer wieder gibt es völlig unerwartete Wendungen, die das Lesen zum Genuss machen.

Mein Fazit

Ein interessantes, absolut spannendes Debüt, das auf ganzer Linie überzeugt. Theresa Hannigs Zukunftsvision ist ebenso faszinierend wie erschreckend und glänzt mit einer glaubwürdigen, authentischen Hauptperson, mit einem präzisen, flüssigen Schreibstil, mit unerwarteten Wendungen und einem Ende, das es in sich hat.

Der zweite Teil, der laut Autorin 2019 erscheinen soll, ist für mich Pflichtlektüre!

Empfehlung: Für Fans von Dystopien und Science Fiction (noch) ein echter Geheimtipp!

Bewertung

Idee: 5 Sterne ♥
Ausführung: 5 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne
Personen: 5 Sterne ♥
Hauptperson: 5 Sterne ♥
Spannung: 5 Sterne
Regt zum Nachdenken an!


Insgesamt:

❀❀❀❀❀♥

Dieses Buch erhält von mir fünf verdiente Lilien, ein Herz und somit den Lieblingsbuchstatus!

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