Theresa Pleitner

 4,2 Sterne bei 9 Bewertungen
Autor*in von Über den Fluss.

Lebenslauf

Theresa Pleitner, geboren 1991, studierte literarisches Schreiben und Psychologie in Heidelberg, Leipzig und Berlin. Sie arbeitete als Psychologin in einer Unterkunft für Geflüchtete sowie einer psychosomatischen Klinik und behandelt aktuell ambulant Patient*innen. Sie war Stipendiatin des Klagenfurter Literaturkurses und des Irseer Pegasus. »Über den Fluss« ist ihr erster Roman, für dessen unveröffentlichtes Manuskript sie mit dem Retzhof-Preis für junge Literatur ausgezeichnet und für den Amadeu-Antonio-Preis nominiert wurde. 

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Theresa Pleitner

Cover des Buches Über den Fluss (ISBN: 9783103971941)

Über den Fluss

 (9)
Erschienen am 22.02.2023

Neue Rezensionen zu Theresa Pleitner

Cover des Buches Über den Fluss (ISBN: 9783103971941)
R

Rezension zu "Über den Fluss" von Theresa Pleitner

Interessant und schockierend
readingsarahvor einem Jahr

Eine Psychologin, gerade frisch mit der Uni fertig, tritt eine Stelle in einer Erstaufnahmeeinrichtung an. Sie hat den Anspruch zu helfen, möchte das System, welches in ihren Augen absolut dysfunktional ist, sozusagen von innen umkehren, muss aber schon bald feststellen, dass ihr die Hände gebunden sind. Sie ist dort lediglich dazu da Ruhe rein zu bringen und den „Gästen“ das Versprechen anzunehmen, sich für die Zeit der „Behandlung“ nichts anzutun. Therapiert wird nicht wirklich, da dies niemand zahlt und wenn man überhaupt von Behandlung sprechen kann, dann höchsten mit dem Verschreiben von Medikamenten. Dies alles führt dazu, dass sie irgendwann abstumpft und einen folgenschweren Fehler begeht.

-

In diesem Buch treffen Welten aufeinander. Auf der einen Seite ist da die namenlose Protagonistin, die tief in ihrem Kern die Welt verbessern will. Auf der anderen Seite befindet sich die harte Realität.

Die Schilderungen der Zustände in der Erstaufnahmeeinrichtung schockieren: viele Menschen auf engstem Raum, Ungeziefer, Lautstärke, keine Privatsphäre, schlechte medizinische Versorgung… auch die Einblicke ins Asylsystem und die Behandlung von Menschen, die sich hier ein besseres und vor allem sicheres Leben erhoffen und dabei oft Monate, manchmal Jahre in einer solchen Einrichtung ausharren, machen wütend. Und ich denke das beides sehr realistisch dargestellt ist.

Man erfährt von vielen Einzelschicksalen, von vielen psychischen Erkrankungen, die die Flucht, die Erlebnisse, welche dazu geführt haben und die Isolation mit sich bringen. PTBS und Depressionen kommen verhältnismäßig häufig vor und das schlimmste für mich war zu lesen, wie damit umgegangen wird. Die Personen werden mit vielen Medikamenten ruhig gestellt, im Zweifel in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen, aber wirkliche Hilfe findet nicht statt.

Trotz der Anonymität der Protagonistin konnte ich mich gut in ihre Lage versetzen, ihr Entsetzen teilen und auch die Ohnmacht und Hilflosigkeit gegenüber dem System spüren.

Pleitner versteht sich gut darauf, Gefühle zu beschreiben und nichtsdestotrotz eine gewisse Disstanz zu dem Geschriebenen zu wahren. Ihr Schreibstil liest sich sehr leicht, kommt ohne große Ausschmückung und Drama aus, was mir gut gefallen hat.

Das Ende kam mir dann doch etwas zu überstürzt, fühlte sich irgendwie nicht richtig auserzählt an, passt aber in der Retrospektive ganz gut zu dem Buch.

-

Eine Empfehlung für alle die sich für das Thema interessieren und einen Blick über den Tellerrand werfen wollen.

Cover des Buches Über den Fluss (ISBN: 9783103971941)
Constanze_Pachners avatar

Rezension zu "Über den Fluss" von Theresa Pleitner

In einer Kapselhülle
Constanze_Pachnervor 2 Jahren

Eine junge Psychologin meldet sich freiwillig, um in einem provisorischen Aufnahmelager am Rand einer deutschen Großstadt geflüchtete Menschen zu betreuen: voller Idealismus und in der Gewissheit, das Richtige zu tun. Bald aber erfährt sie, wie begrenzt ihre Möglichkeiten sind, den Traumatisierten in der hochgesicherten Einrichtung zu helfen. Immer stärker erlebt sie die Widersprüchlichkeit ihres Auftrags, zu dem es auch gehört, die Menschen notfalls zu entmündigen und Abschiebungen zu tolerieren - als Teil des Systems wird sie zum Teil des Problems. Als sie mit einem Geflüchteten konfrontiert wird, der sich das Leben nehmen will, gerät sie in ein moralisches Dilemma." Klappentext

Um zur Arbeit zu kommen - zum rudimentär eingerichteten Aufnahmelager für Geflüchtete -, überquert die junge Psychologin jeden Tag einen Fluss, der dem Roman als Metapher einen roten Faden schenkt. Das Überqueren ist riskant, denn jeder Tag bringt für sie neue Realitäten, die auf der anderen Uferseite zuvor nicht zu erahnen waren, und fortan eingefleischt unvergessen in ihrem Wesen bleiben.
Eine sachlich verkappte Sprache fuhr mich - rundum geschützt in einer Kapsel gehalten - mit einem Boot immer wieder von einem Ufer zum anderen. Informativ wurden mir die Wahrnehmungen und Erlebnisse der Protagonist*innen geschildert, ohne dabei in meine Schweiß erzeugende Kapselhülle zu stechen. Schade, denn gerne wäre ich vom Wasser bespritzt worden, gerne wäre ich zwischen den Fahrten mal kurz in die Tiefe getaucht, gerne hätte ich mit meiner Haut die Kraft der wechselnden Strömungen wahrgenommen. All dies verwehrte mir der ergebnisorientiert wirkende, Distanz erzeugende Erzählton.

Uneingeschränkt ist aber der Debutroman #überdenfluss von #theresapleitner ein wichtiges, empfehlenswertes Buch im Rahmen eines durch Literatur aufklärenden Kanons zum Thema Migration.

Lieben Dank an @s.fischer für das #rezensionsexemplar

Cover des Buches Über den Fluss (ISBN: 9783103971941)
Gruenentes avatar

Rezension zu "Über den Fluss" von Theresa Pleitner

Distanz und Betroffenheit
Gruenentevor 2 Jahren

Eine junge (wenn ich mich recht erinnere namenlose) Psychologin startet ihren ersten Job nach dem Studium: Beratung in einem Aufnahmelager für Flüchtlinge. Sie ist sehr aufgeregt und wird von einer Kollegin behutsam eingeführt. Viele der Gäste, wie die Bewohner des sehr provisorisch anmutenden Heims genannt werden, sprechen Englisch. Für die anderen gibt es Sprachmittlerinnen, die die Übersetzung übernehmen.
Da kommen harte Geschichten zu Tage, kein leichter Job. Es ist schwierig, nicht alles an sich heranzulassen. Alle Gäste werden sehr höflich mit ihrem Nachnamen angeredet. Doch wenn irgendwas nicht stimmt, ist auch schnell die Polizei zur Hand.
Das ist schon mal häufiger nötig, wenn einer der Gäste „das weiße Papier“ erhalten hat. Nach Erhalt dieser Grenzübertrittsbescheinigung werden die Gäste zu unerwünschten Besuchern und können im nächsten halben Jahr von der Polizei abgeschoben werden. Nach dem Erhalt dieses Papiers verschlimmert sich der psychische Zustand der Betroffenen verständlicherweise rapide. Nicht viele drohen mit Selbstmord. Es gehört zu den Aufgaben der Psychologen vor Ort den Suiziddrang zu ergründen und eventuell eine Einweisung zu erwirken.
In diesen Momenten hört der höfliche Austausch auf. Die Polizei muss oft handgreiflich werden, die Suizidgefahr wird von einigen Offiziellen heruntergespielt. Die Abschiebungen finden häufig vor dem Morgengrauen statt, so dass die Gäste kaum noch Schlaf finden.
Das ganze System wird durch die Beschreibungen in Frage gestellt. Warum bekommt jemand noch Deutschkurse, wenn er jeden Tag wieder zurückgeschickt werden kann?
Einige der Gäste schließt die junge Frau geradezu ins Herz. Aber kann sie wirklich helfen? Kann es für sie selbst gesund sein, sich näher darauf einzulassen? Und wie kann man es überhaupt schaffen eine Distanz vor dem Elend und den Vorgeschichten zu wahren?
Das Lager befindet sich am Stadtrand, eben auf der anderen Seite des Flusses. Überquert man den Fluss auf die „richtige“ Seite, hat man es symbolisch geschafft. Auch die junge Frau fühlt eine starke Trennung durch die Brücke über diesen Fluss ausgehen. Pleitner vergleicht die Flussseiten mit zwei Sphären, dem Diesseits und dem Jenweits, vom Fluss getrennt. Dieses Bild zieht sich durch das ganze Buch, ich empfand es als sehr passend und ließ sich auf mehrere Aspekte des Buches anwenden.
Die Protagonistin und ihre Gefühle blieben mir irgendwie fremd, ich konnte mich nicht wirklich in sie hineinversetzen. Alles wirkte etwas klinisch, ähnlich wie die weißen Kittel, die sie bei der Arbeit trug. Viele Sätze verwenden den Konjunktiv, was die Distanz für mich noch vergrößerte. Trotzdem wurden die bürokratischen Unsinnigkeiten und riesigen Hürden sehr deutlich.
Aber irgendwie bin ich auch froh, dass ich als Leserin dadurch eine Distanz vor den Personen und Ereignissen aufbauen konnte, auch ich wollte innerlich nicht über diesen trennenden Fluss gehen.

Gespräche aus der Community

Bisher gibt es noch keine Gespräche aus der Community zum Buch. Starte mit "Neu" die erste Leserunde, Buchverlosung oder das erste Thema.

Community-Statistik

in 22 Bibliotheken

auf 12 Merkzettel

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks