„Wen gibt es zum Essen?“ (S. 101)
Thilo Hagendorff beschäftigt sich in diesem Buch mit unserer Position in der Nahrungskette und den Schattenseiten der fleischproduzierenden Industrie. Was hat sich geändert, was ist geblieben? Und wie wirkt sich unser Verhalten auf die Tierwelt, aber auch auf uns selbst aus? Der Autor versucht, Antworten zu geben, aber diese sind keineswegs schonungsvoll.
Schon die Einleitung hat mich beeindruckt, u.a. weil da stand, dass sich Elefanten anders verhalten als früher. Auch habe ich mir nie darüber Gedanken gemacht, dass auch Tiere empathisch sein können. Im Kapitel "Vernichtung" fand ich die Schilderungen zur Mast schlimm. Was wäre, wenn es anders gelaufen wäre, und die Schweine uns einsperren, mästen und essen würden?? Oder wenn überhaupt jemand anders bestimmen könnte, wie lange ich zu leben hätte? Tierfabriken werden im Durchschnitt nur alle 17 Jahre überprüft (S. 59). Aber wichtig ist, dass in unserem Dorf jede Woche ein mobiler Blitzer steht - dafür ist natürlich Zeit. Das Kapitel "Ausbruch" zeigt, dass sich die Menschen ständig durch Selbstbetrug selbst verleugnen. Wer versucht, sich anders als die Masse zu verhalten, gerät ins Visier und muss sich auch noch verteidigen bzw. entschuldigen. Es gibt genug Alternativen, aber die Menschen nehmen sie nicht wahr (S. 85). Und das ist das eigentliche Problem: intellektuell würden wir es alle irgendwie schaffen. Fleisch bewusst und achtsam zu konsumieren, aber nur die wenigsten Menschen sind bereit dazu. Im Kapitel "Gesellschaft" haben mir die Ausführungen zur Biophilie gefallen, ein Perspektivenwechsel (-> wie sehen Tiere uns?, S. 122) könnte hier echt hilfreich sein... Das Kapitel "Charakter" halte ich für eines der wichtigsten Kapitel in diesem Buch. Ich denke auch, dass man viel mehr Menschen erreichen könnte, wenn ihnen klar wäre, wie sich ihre Einstellung zu Tieren auf ihre menschlichen Beziehungen auswirkt. Also, geht da vllt. doch etwas auf der rationalen Ebene?!
Der Titel dieses Buches ist „Was sich am Fleisch entscheidet“. Wird der Autor mit seinen Ausführungen diesem Titel gerecht? Ich finde, dass es Thilo Hagendorff sogar ganz hervorragend gelingt, den Inhalt in diese Richtung zu lenken. Tatsächlich entscheidet sich alles am Fleisch bzw. haben es die Fleischesser wohl am ehesten in der Hand, ein friedvolles Miteinander aller maßgeblich mitzugestalten. Du bist, was du isst, nach dem Lesen dieses Buches macht dieser Spruch für ich noch mehr Sinn als vorher.
„Wen gibt es zum Essen?“ (S. 101)
Diese Frage habe ich mir beim Lesen des Buches ständig gestellt, ab dem Zeitpunkt, wo der Autor sie gestellt hat. Allein schon für diese provokative Frage hat sich das Lesen des Buches für mich absolut gelohnt, und ich hoffe, dass ich zukünftig daran denken werde, wenn ich Fleisch esse, was glücklicher Weise nur sehr selten vorkommt.
Ich vergebe begeisterte 5 Sterne und empfehle dieses wertvolle und gut recherchierte Buch ohne Einschränkung jedem, insbesondere aber allen, die bereit sind, sich mit ihrer Ernährung und deren Folgen auseinanderzusetzen.
Die Dauerleserin