Das Ballett ist weiss. Die Tänzer:innen sind weiss. Nun ja, die meisten durchaus, aber eben nicht alle – und das ist auch gut so! Osiel Gouneo, einer der wenigen schwarzen Principal Dancers, erzählt von seinem Weg aus einfachen Verhältnissen in Kuba bis hin zu den grossen Ballettkompanien der Welt. Die Geschichte wurde mit Unterstützung von Thilo Komma-Pöllath aufgeschrieben.
Erster Eindruck: Ein schlichtes und dadurch sehr kraftvolles Cover – gefällt mir sehr gut.
Einleitend muss ich festhalten, dass ich keine Ballettkennerin bin. Da stellt sich selbstverständlich die Frage, wieso ich ein Buch über einen Primoballerino lese. Ganz einfach: ich erfahre gerne mehr von anderen Menschen und ihren Erlebnissen. Es bietet die Gelegenheit, lesetechnisch in mir unbekannte Welten einzutauchen.
Der Weg zum Principal Dancer, der bei namhaften Nationalballetts mittanzt, ist weit. Sehr weit. Und mit unermüdlichen Fleiss, schmerzenden Füssen und wohl auch mit Tränen verbunden. Doch Osiel hat es geschafft. Vom Balletteleven zum Ensemble-Tänzer, Demi-Solist, und dann: Principal Dancer. Zu seinen Stationen gehören u.a. das Kubanische Nationalballett, das Pendant in Norwegen oder auch das Bayerische Staatsballett.
„Ballett ist für mich der Blick in die menschliche Seele, weil es für das Publikum eine so grosse transformative Kraft besitzt.“ (Osiel Gouneo)
Obwohl Osiel fern von Kuba ist, spürt man seine grosse Liebe zu seiner Heimat. Er weiss aber auch Kritisches anzumerken: die kubanische Gesellschaft sei immer noch sehr konservativ und rückständig im Vergleich zum Westen, dazu gehöre auch das Klischee vom homosexuellen Balletttänzer. Die Liebe zu seiner Familie ist durchwegs spürbar, seine grössten Förderer in Sachen Ballett waren seine Mutter Carmen und seine Grosseltern. Das Thema Rassismus gehört auch in dieses Buch, da er, als Afrokubaner, in der Welt des „weissen“ Balletts immer auffällt und etliche Rollen nicht tanzen durfte, da er nicht die passende Hautfarbe hat.
Ich bin immer schwer beeindruckt, wenn ich Menschen erlebe, die ihren Beruf mit Leidenschaft ausüben und völlig darin aufgehen. Sie nehmen sehr viel auf sich, um ihr Können zu perfektionieren und sind oftmals überkritisch mit sich selbst. Osiels Begeisterung zum Tanz ist durch die Buchseiten auf mich übergeschwappt – sehr gut gemacht! Es wurden unzählige Namen von Ballettdirektoren, -tänzern, -meistern, künstlerischen Leitern und Choreographen, Ballettstücken oder -figuren genannt, die mich mit der Zeit ermüdeten – für mich waren es zu viele. Von mir gibt es 4 Sterne.
Thilo Komma-Pöllath
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
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Rezension zu "Black Romeo" von Osiel Gouneo
-Rezensionsexemplar-
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Genre: Eine Lebensgeschichte über den Weg nach ganz oben. Über die Hindernisse, den Antrieb & den Schmerz vom Erfolg. Übers losziehen, durchkämpfen & brillieren.
Setting: Osiel wohnt in Kuba & kommt durch seine Mama zum Ballett. Bald schon zieht es ihn mit seinem Ehrgeiz in die Weltspitze. Im Laufe seiner Karriere muss er mit Rückschlägen, Rassismus & Verletzungen umgehen. Dabei kommt er auch zu Themen, wie kulturelle Aneignung, Cancel Cultur & Klassik vs Moderne.
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Spannend, kritisch, reflektiert. Ein toller Einblick & ein so spannender Weg.
Mich persönlich hätten noch Einblicke zu Freizeit, bzw. Familienleben interessiert, aber das wäre jetzt noch das i-Tüpfelchen gewesen.
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Schnapp dir einen Kaffee & lass dich inspirieren von der Bühne.
Rezension zu "Black Romeo" von Osiel Gouneo
Osiel Gueneo ist Erster Tänzer im Bayerischen Staatsballett, und ihn tanzen zu sehen ist ein Erlebnis. Die Schönheit seiner Sprünge, seine Ausdruckskraft, die Ästhetik seiner Bewegungen – man sitzt fasziniert und dankbar im Publikum. Für mich war klar: ich MUSS seine Biografie lesen, auch wenn Osiel Gueneo mit Mitte 30 noch zu jung für eine Biografie ist.
Das Buch ist eher ein Rückblick auf seine Kindheit auf Kuba, auf seine Familie, die vor einigen Generationen noch versklavt war, auf das Zusammenleben mit seinen geliebten Großeltern, die Zeit im Ballett-Internat und das stundenlange harte Training. Schon als Junge ist er, nach anfänglichem Missmut, dazu entschlossen, als Tänzer Karriere zu machen, was ihm dann auch gelingt. Osiel Gueneo ist heute einer der herausragendsten Ballerinos und, wie er selber sagt, als schwarzer Punkt in der weißen Welt des Balletts einer der wenigen Principal Dancer.
Damit klingt schon ein weiterer Themenbereich an, dem sich Gueneo als Afrokubaner widmet: dem Rassismus in der Welt des Balletts. Er erzählt von eigenen Erlebnissen und von Rollen, die ihm verweigert wurden; inwieweit das rassistische oder einfach nur Compagnie-interne Gründe hatte, kann man als Außenstehender nicht beurteilen. Aber dem Leser wird klar, dass Ballett kein isolierter Kunst-Raum ist, sondern dass es auch um gesellschaftliche Fragen geht. An mehreren Beispielen des klassischen Balletts zeigt Gueneo die Relevanz dieser Fragestellungen auf und fordert eine Neu-Interpretation, die sich befreit von kolonialen und imperialen Traditionen, um stattdessen die zeitlosen Inhalte deutlicher herauszustellen. Generell sollte für die Besetzung nicht das Denken in Schwarz-Weiß-Kategorien entscheidend sein, sondern allein die Qualität des Tänzers.
Ist ein schwarzer Schwanensee-Prinz vorstellbar? Aus eigenem Erleben weiß ich, dass man nur noch den Tänzer sieht und nicht die Hautfarbe. Warum also kein schwarzer Prinz Siegfried oder eine schwarze Giselle!
Gueneo wurde für seine Rolle in „Spartacus“ zum Tänzer des Jahres gekürt, zu Recht. Nach der Lektüre allerdings fragt man sich, ob Gueneo für diese Rolle eines Sklaven wegen seiner Hautfarbe ausgewählt wurde? Auch wenn der historische Spartakus kein Schwarzer war, sondern vermutlich aus Thrakien stammte, also weiß war? Wir aber mit dem Wort „Sklave“ einen Schwarzen verbinden? Welche schablonierten Denkweisen verstellen unseren Blick?
Nicht alle Aus- und Einlassungen Gueneos sind nachvollziehbar, v. a. was das Verhältnis von Kunst und Politik betrifft, aber bedenkenswert sie sie allemal.
Lesenswert!
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