Rezension zu "Unterwegs zu Luther" von Thomas A Seidel
Keinen theologischen oder biografischen, sondern einen geografischen Zugang zu Martin Luther bietet dieser kirchengeschichtliche Reiseführer. Das Buch listet alphabetisch fünfzig für den Reformator oder die Reformation prägende Orte auf. Dabei wird jeweils die Stadt zunächst allgemein charakterisiert, bevor der Bezug zu Luther erläutert wird. Schließlich erfolgt eine Auswahl sehenswerter Bauwerke des Ortes, die neben der geschichtlichen Bedeutung auch auf die bauhistorischen Merkmale eingeht.
Zwischen den Vorstellungen der Lutherorte finden sich theologische Texte, die "wichtige Anstöße zur geistigen Orientierung" (Vorwort S. 7) zu geben versuchen. Sie vertiefen spezifische Aspekte von Luthers Theologie und wollen zum weiteren Nachdenken anregen. Am Ende des Buches findet sich die Auflistung der verwendeten Literatur (sechs Werke), auf die ein Glossar der wichtigsten Begriffe folgt. Eine Übersichtskarte aller vorgestellten Lutherorte erleichtert die geographische Orientierung. Schließlich endet das Reisebuch mit dem Lebenslauf des Reformators, der überblicksartig die zentralen Stationen Luthers und der Reformation aufführt.
Illustriert werden die Texte durch Fotografien von Harald Wenzel-Orf. Der Leser erhält damit ein Bild der vorgestellten Orte, wodurch die Sachinformationen mehr Lebendigkeit erhalten. Besonders die Luftaufnahmen zeigen dabei Perspektiven der bekannten Bauten und Städte, die man auf der eigenen Reise nicht einnehmen kann.
"Unterwegs zu Luther" möchte als ein "touristisches und ein spirituelles Reisebuch" fungieren. Das bedeutet, es muss nicht nur den fachlichen, sondern ebenso den praktischen Prüfstand absolvieren. Hat das Buch also einen konkreten Nutzen, wenn man selbst Lutherorte wie Eisenach, Erfurt usw besuchen möchte? Hier lautet die eindeutige Antwort: teilweise.
Zum einen erfährt man sehr schnell, was Luther mit dem konkreten Ort verbindet, ohne vorher zweihundert Seiten seiner Biografie gelesen haben zu müssen. Man wird zügig zu relevanten Bauwerken oder Gedenkstätten geleitet, die nochmals separat beschrieben werden. Dass in einem solchen Sammelwerk bei jeder Stadt nur wenige Sehenswürdigkeiten Erläuterung erfahren, kann eher als Pluspunkt gewertet werden: es bewahrt den Leser vor visitatorischer Überlastung. Allerdings ist das Buch (zumindest in dieser Ausgabe) für den Reiserucksack etwas unhandlich. Zu dem relativ hohen Gewicht kommt das gebundene Format sowie die innere Unübersichtlichkeit, da man beispielsweise die Adressen der Lutherstätten dem Fließtext entnehmen muss. Hier hätten ein paar "touristenfreundliche Zugaben" das Buch etwas aufpeppen können.
Alles in allem sei das Reisebuch reisefreudigen Lutherinteressierten ebenso empfohlen wie Freunden der Reformationsgeschichte, die einmal einen etwas anderen Zugang zur Materie haben möchten als die 1001 theologischen Einführungen.