Lebenslauf von Thomas Bauer
Alle Bücher von Thomas Bauer
Die Vereindeutigung der Welt
Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet
2500 Kilometer zu Fuss durch Europa
Wo die Puszta den Himmel berührt
Möge Allah dir Flügel verleihen
Vientiane – Singapur
Fremdes Japan
Die Gesichter Südamerikas
Neue Rezensionen zu Thomas Bauer
Das 2018 in der Reihe "Was bedeutet das alles" (im Reclam-Verlag) erschienene Büchlein "Die Vereindeutigung der Welt" von Thomas Bauer ist aktuell, hochinteressant und sehr lohnenswert zu lesen.
Zum Inhalt:
In zehn Kapiteln legt der an der Universität Münster tätige Professor für Islamwissenschaft und Arabistik seine These der Vereindeutigung der Welt dar. Hierbei geht er der Frage nach, wie vielfältig unsere Welt eigentlich momentan ist - angefangen bei der Natur, über die Auswahl im Supermarkt und hin zu Kunst und Kultur.
Später beschreibt er die aktuell überall zu beobachtende "Suche nach Eindeutigkeit" sowie den "Authentizitätswahn" und eine "Vereindeutigung durch Kästchenbildung".
Es gibt Bezüge zur aktuellen Politik und Gesellschaften (z.B. "Kein Unentschieden in den USA"), zu Religionen ("Religionen zwischen Fundamentalismus und Gleichgültigkeit") und zu diversen kulturellen Themen (z.B. "Authentischer Wein und authentische Politik"), abgerundet durch einen Ausblick in die nahe Zukunft ("Auf dem Weg zum Maschinenmenschen") und ein paar Anregungen zum Erhalt von (echter) Vielfalt.
Meine Meinung:
Bauer liefert hier ein buntes Sammelsurium an Themen, dessen Vielfalt seiner These des Vielfaltsverlusts jedoch keinen Abbruch tut, sondern sie im Gegenteil auf verschiedenen Ebenen stützt. Der Text ist sehr gut lesbar, da sämtliche Belege in den Anhang verschoben sind - leider gibt es bei den Zitaten deshalb aber auch keinen direkten Verweis. Mich hat das jetzt weniger gestört, aber wenn man wirklich mit dem Werk arbeiten oder einige Quellen schnell nachlesen möchte, muss man vielleicht ein wenig länger als üblich suchen.
Ich hatte wirklich ein paar Aha-Momente, hatte das Gefühl, dass mein Horizont wesentlich erweitert wurde, und habe nun auf einige Aspekte der Welt einen leicht anderen Blick. Haben Sie sich beispielsweise mal gefragt, was Leute, denen Religion egal ist, mit Fundamentalisten gemeinsam haben (könnten)? Sind Sie auch ein Freund von "Authentizität"? Oder bemühen Sie sich, sexuelle Identitäten eindeutig benennen zu können? Gefällt Ihnen, dass Weine endlich wieder den lange Zeit weggezüchteten "Weinschmutz" aufweisen?
Man könnte hier noch viele weitere interessante Fragen stellen, auf die Bauer in dem 92 Seiten umfassenden Buch eingeht, und die alle zu seiner These passen.
Mir bleibt an dieser Stelle nur, eine absolute Leseempfehlung für dieses bereichernde Buch auszusprechen.
Fazit:
Ein Buch, dessen Hosentaschenformat es erlaubt, dass man es überall mit hinnehmen und quasi nebenbei seinen Horizont erweitern kann - was man unbedingt tun sollte. Lest es, es lohnt sich!
Rezension zu "Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet" von Thomas Bauer
Wenn "Studien" oder "Untersuchungen" etwas als "wissenschaftlich bewiesen" feiern, dann gilt das als eine Art göttliches Zertifikat. Vor allem dann, wenn in diesen Arbeiten auch noch reichlich Zahlenmaterial und Statistiken enthalten sind. Man wird von vielen Zeitgenossen milde belächelt, wenn man solche Behauptungen dennoch gelegentlich anzweifelt. Die drei Autoren dieses Buches kennen solche Situationen aus eigenem Erleben. Sie zeigen deshalb in ihrem Text, welche Möglichkeiten existieren, um aus vorhandenen Datensätzen zu völlig falschen Schlüssen zu kommen.
Es geht dabei nicht vordergründig um Fälschungen, sondern um gravierende Missverständnisse oder absichtsvolle Umdeutungen bei der statistischen Auswertung solcher Daten. Vor allem Mediziner, Sozial- und Geisteswissenschaftler, Juristen, aber selbst Naturwissenschaftler sind oft mangels einer entsprechenden Ausbildung oder fehlender Fähigkeiten im logischen Denken nicht vor ihnen offenbar überhaupt nicht bewussten Fallen bei statistischen Auswertungen eines vorliegenden Datenmaterials sicher. Abgesehen davon existieren aber häufig genug auch suggestive Fehldeutungen solcher Auswertungen, die Anwender oder Kunden zu falschen Schlüssen verleiten sollen.
Besonders beliebt sind dabei das Hervorheben großer relativer Zuwächse und das gleichzeitige Verschweigen der unbedeutend kleinen absoluten Zahlen in solchen Zusammenhängen oder auch das bewusste Identifizieren von Korrelation und Kausalität. Die Autoren bringen in ihrem Buch dafür zahlreiche Beispiele.
Geradezu ein Klassiker beim Aufbauschen relativer Veränderungen, die absolut gesehen nahezu oder völlig bedeutungslos sind, ist die Werbung für die Mammografie, die darüber hinaus auch noch als Krebsvorbeugung dargestellt wird. Diese Art der Brustkrebsfrüherkennung verfügt wegen der hohen Zahl untersuchter Frauen über ein ausgezeichnetes Datenmaterial, aus dem eindeutig hervorgeht, dass die Mammografie keine Auswirkungen auf die Sterberate hat, jedoch zu zahlreichen Fehldiagnosen führt, die für die Betroffenen zu einem enormen Leidensdruck führen. Dennoch wird die Lage - wie im Buch detailliert beschrieben - völlig anders dargestellt.
Neben einer inkompetenten statistischen Auswertung vorhandener Daten zeigen die Autoren noch einen zweiten grundsätzlichen Fehler, den sie immer wieder an Beispielen festmachen, nämlich die völlige oder teilweise Ausblendung von Einflussgrößen auf den Datensatz. Der Klassiker dort ist das medial gut ausschlachtbare scheinbar vermehrte Auftreten gewisser Krankheiten oder Defizite in der Nähe von Kernkraftwerken. Die Autoren machen das Weglassen von anderen Einflussgrößen zum Beispiel an vordergründig alarmierenden Untersuchungen über die Leukämie-Rate in der Nähe von KKWs deutlich.
Besonders beliebt sind Statistiken offenbar bei Politikern. Wie man Zahlen zu Propagandazwecken umdeuten kann, machen die Autoren an verschiedenen Quoten deutlich, die jedes Jahr einen gespielten Aufschrei der Empörung in den Medien oder bei Politikern hervorrufen. Durch unsinnige und wissenschaftlich nicht haltbare Definitionen oder unsachgemäße Vergleiche glänzen beispielsweise stets der "Armutsbericht" oder der "Equal-pay-day". In beiden Fällen geben die entsprechenden Datensätze - wie die Autoren erklären - keineswegs das her, was aus ihnen gemacht wird. Man kann aber auch ganz billig zu gewünschten statistischen Aussagen gelangen, beispielsweise indem man einfach Teile der Grundgesamtheit bewusst nicht beachtet. So kam zum Beispiel die falsche Aussage aus der Überschrift zustande.
Wenn man nicht über eine notorische Abneigung gegen Mathematik oder Zahlen verfügt, liest sich das Buch sehr gut. Allerdings enthält es auch Stellen, die bei allen großartigen didaktischen Fähigkeiten der Autoren dennoch etwas schwierig für Laien bleiben, etwa die Ausführungen zu Signifikanztests oder bedingten Wahrscheinlichkeiten.
Dessen ungeachtet ist dieses Buch für alle, die bisher dem Prädikat "statistisch bewiesen" bedingungslos geglaubt haben, ein wahrer Augenöffner. Leider ist die Ausbildung zum statistischen Denken kein Ruhmesblatt in Deutschland. Es bleibt zu hoffen, dass dieses populärwissenschaftliche Sachbuch wenigstens einen gewissen Beitrag zur Sensibilisierung für dieses Thema leistet.