Cover des Buches 1888 (ISBN: 9783992001293)
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Rezension zu 1888 von Thomas Beckstedt

Intelligenter historischer Kriminalroman

von krimielse vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Hervorragend recherchierter und spannender historischer Krimi

Rezension

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krimielsevor 8 Jahren
Der Debütroman von Thomas Beckstedt verbindet eine wohldurchdachte kriminalistische Handlung auf zwei Zeitebenen mit mystischen und Thrillerelementen, in die geschickt historische Ereignisse eingestreut sind. Man merkt in dem atmosphärisch dichten und psychiologisch eindringlichem Thriller nicht, dass es ein Erstlingswerk ist. Georg, ein Müßiggänger und Kriegsteilnehmer des Ersten Weltkrieges, erhält in London im Jahr 1922 ein rätselhaftes Paket aus Indien mit Tagebuchnotizen und dem Manuskript des Doppelmörders Dr. Richard Rollet mit der Bitte, das Manuskript zu einem Buch zu verarbeiten. Georg vertieft sich in die Tagebücher und in das teilweise unvollständige Manuskript und verfolgt das Leben und die Erlebnisse von Dr. Rollet, um Klarheit in die Abläufe zu bringen. Dabei stellt er Recherchen an, die ihn an den Ursprungsort der Ereignisse, nach Wien, führen, wo einige, aber noch nicht alle Spuren aus der Vergangenheit verwischt sind. Er wird in den rauschhaften Strudel des Schicksals von Dr. Rollet gezogen, die Geschichten der beiden Männer verbinden sich immer mehr und manifestieren sich in der Person einer rätselhaften Frau aus Vergangenheit und Gegenwart. Das Buch ist in zwei zeitlichen Ebenen aufgebaut, die anfangs getrennt voneinander ablaufen, die der Autor im Verlauf der Geschichte aber immer mehr geschickt miteinander verwebt. Man verfolgt als Leser die Ereignisse in der Vergangenheit im Jahre 1888 hauptsächlich in Wien und schaut dem Erzähler Georg gleichzeitig bei der Auswertung der Unterlagen und bei seinen Ermittlungen in London und Wien 1922/1923 über die Schulter. Im Laufe der Buches vermischen sich das Manuskript und Georgs Bericht auf kluge und reizvolle Weise. Die Geschichte ist spannend und intelligent aufgebaut. Stilistisch überwiegen erzählende Elemente gegenüber atemloser Thrillerspannung, was mir sehr gut gefallen hat. Am Ende der Geschichte wird das Tempo gestrafft, die Zeit- und Ortswechsel nehmen zu und die Spannung bis zum Showdown rechtfertigt die Einordnung des Buches als Thriller. Mit einem teilweise offenen Ende bleibt dem Leser die Wahl der Einordnung des Protagonisten Georg aus mystische Sicht oder medizinisch-logischer Herangehensweise. Die Morde in der Vergangenheit werden zufriedenstellend aufgeklärt und logisch-nachvollziehbar erklärt. Die Lektüre dieses hervorragend recherchierten Buches war für mich ein Hochgenuss, der allerdings Konzentration beim Lesen erfordert und keinesfalls als Nebenbei-Buch gelesen werden kann. Angefangen mit dem Prolog, der mich an Altmeister Edgar Allan Poe erinnert über den verlangsamten Erzähl- und Schreibstil, der so passend für historische Kriminalromane ist bis hin zu den eingestreuten historischen Ereignissen, die die Geschichte niemals aus dem Fluss gebracht sondern angemessen in Szene gesetzt haben, hat mich das Buch von Anfang bis Ende gefangen gehalten. Verbindungen zu wissenschaftlichen, kirchlichen, alchimistischen, abergläubischen und mystischen Ansätzen geben den besonderen Kick. Im ersten Teil des Buches wurde meine Neugier geschickt durch den Fortgang der Recherchen und der Abläufe in der Vergangenheit bei der Stange gehalten, Spannung gibt es hier weniger. Erst im letzten Teil des Buches wechselt der Fokus von der Recherche und den Charakteren zum dichten spannenden Stil, der in einem fulminanten Showdown mündet. Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet und passen mit Handeln und Sprache nach meinem Empfinden in die damalige Zeit. Dadurch wirken sowohl der schwierige Charakter des Protagonisten Georg als auch die anderen Charaktere in Vergangenheit und in Georgs Zeit sehr authentisch und real. Der Autor erlaubt dem Leser einen Blick hinter die Kulissen der menschlichen Psyche, indem er Personen erscheinen lässt, die neben menschlichen psychiologischen Abgründen auch gierig, neidisch, missgünstig, machthungrig sind und damit den Tod anderer verursachen. Viele Nebenrollen unterstreichen das Handeln der Hauptcharaktere und fügen sich in passenden Schauplätzen zu einer abgerundeten Geschichte. Fazit: Abseits der üblichen Krimis und Thriller ist "1888" für mich ein sehr lesenswertes und lohnendes Buch, das ich unbedingt empfehlen kann. Die Authentizität von Geschichte, Setting und Charakteren hat mich sehr überzeugt
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