Rezension zu "Holzfällen" von Thomas Bernhard
Wen in Thomas Bernhards Stücken dessen monologisierende Protagonisten nerven, sollte dieses Skandal-Buch der 1980er-Jahre erst gar nicht in die Hand nehmen. Es ist eine einzige absatzlose, wenn auch zuweilen amüsante Suada, die sich über mehr als 300 Seiten erstreckt.
Ein Mann (unverkennbar Bernhard) sitzt im Ohrensessel, später am Esstisch und richtet über die Kultur-Schickeria, die in der Wiener Wohnung des Ehepaares Auersberger zusammengekommen ist. Man wartet auf die Ankunft des Burgschauspielers, der nach der Vorstellung von Ibsens „Die Wildente“ hinzustoßen wird, was er weit über der Mitte des Buchs tatsächlich tut. Bis dahin und auch danach ist reichlich Platz für des Sesselsitzers Gedanken, unterbrochen von wenigen Ausrufen und durchsetzt mit zahlreichen Bernhard-typischen Wiederholungen über die „ganz spezielle österreichische Perversität“, ein „sogenanntes künstlerisches Abendessen“ auszurichten.
Bis auf den sehnlichst erwarteten Burgschauspieler sind alle Be- und Abgeurteilten erkennbar, denn Bernhard macht sich kaum Mühe, ihre Namen stark zu verändern, was nach Erscheinen von „Holzfällen“ zu Klagen gegen den Autor und die Beschlagnahmung des Buchs geführt hat.
Bernhard kühlt also sein Mütchen an ehemaligen Gönnern und Förderern, an Kolleginnen, Kollegen, Theaterdirektoren, Journalisten etcetera. Dazwischen erinnert er sich an die eben erst beerdigte Joana, die Selbstmord begangen hat und von deren Begräbnis die hier Versammelten kommen. Auch Joana ist übrigens das Abbild einer wahren Person.
Trotz allen Bernhard’schen Witzes und böser Analyse – „Das österreichische Künstlertum ist ein gemeiner und verlogener Weg des Staatsopportunismus, der mit Stipendien und Preisen gepflastert und mit Orden und Ehrenzeichen tapeziert ist und der in einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof endet“ – tun mir die Bloßgestellten sogar jetzt noch leid, obwohl sie doch längst (Ernst Jandl, Jeannie Ebner, der Komponist Gerhard Lampersberg etc.) oder erst vor wenigen Jahren (Friederike Mayröcker) verstorben sind. Wer will schon über sich lesen, dass man „ein verkommener, vom Vermögen seiner Frau stumpfsinnig gewordener Gesellschafts-Kopist“ ist oder „wertlose sentimentale Prosa und genauso wertlose sentimentale Gedichte“ schreibt. Erträglich wird diese Abrechnung dadurch, dass Bernhard sich selbst nicht ausnimmt. Er gesteht ein, wie sehr auch er in diese von ihm so verachtete Gesellschaft verstrickt ist und wie gut die Hilfestellungen der von ihm nun Geschmähten für seine schriftstellerische Entwicklung waren.
Sprachlich ist die Holzfällen-Erregung natürlich grandios. Trotzdem bleibt ein schaler Nachgeschmack. Gerade bei diesem Buch stellt sich die Frage, wo den Trennstrich ziehen zwischen Mensch und Werk, wollte doch Bernhard selbst, dass alle, denen er hier ans Bein pinkelt, erkannt werden. Da hilft es auch nicht, dass er gegen Ende auf dem Heimweg vom künstlerischen Abendessen versichert: „…daß diese Stadt, durch die ich laufe, so entsetzlich ich sie immer empfinde, immer empfunden habe, für mich doch die beste Stadt ist, dieses verhaßte, mir immer verhaßt gewesene Wien, mir aufeinmal jetzt wieder doch das beste, mein bestes Wien ist und daß diese Menschen, die ich immer gehaßt habe und die ich immer hassen werde, doch die besten Menschen sind …“
Bewertung? Für den Menschen Thomas Bernhard höchstens 2 Sterne, für den Schriftsteller, und nur dieser soll wohl bewertet werden, 5 Sterne.