"Vor und zurück, mit schweigendem Tritt
Vorbei an den Toren der Toten ich schritt
Und sprach, es ist hart und ich seh es nicht ein,
Wenn andere tanzen, dass ich dann allein
Mit dem Tod und der Angst und der Kälte sollt' sein -
Ich arme Seel'!"
Inhalt:
Ein Muss für Schmökerfans und Krimiliebhaber
Die Witwe Jezebel Fontaine tut alles, um ihre gutherzige, aber aufgrund ihres gesellschaftlichen Status nicht eben chancenreiche Tochter möglichst gut zu verheiraten. Jezebels Charme und Überzeugungskraft und nicht zuletzt der Besitz geheimnisvoller Giftfläschchen leisten ihr dabei gute Dienste. Allerdings hat sie nicht mit Mrs Wagner ge-rechnet, die im Haus des anvisierten Bräutigams zu tun hat. Von Natur aus misstrauisch, kommt die alte Dame der Lösung der rätselhaften Giftanschläge immer näher. Doch es ist ein Spiel gegen die Zeit ...Wilkie Collins spinnt ein feines Geflecht aus Geheimnissen und Intrigen, das bis zur letzten Seite fasziniert.
Autor:
Wilkie Collins, 1824 in London geboren und 1889 dort gestorben, enger Freund Charles Dickens', begann nach kurzer juristischer Tätigkeit die Schriftstellerlaufbahn. Er schrieb eine Reihe äußerst spannender, melodramatischer Romane, die, geschickt konstruiert, den Leser auf falsche Spuren locken und als Vorläufer des modernen Detektivromans gelten.
Meinung:
Ein Klassiker der Kriminalliteratur. Wilkie Collins, ein enger Freund von Charles Dickens, schrieb Kriminalgeschichten mit Gruselfaktor. Ein Meister seines Fachs und Arthur Conan Doyle ebenbürtig.
In Jezebels Tochter geht es um Liebe, Lügen, Intrigen und das Spiel mit dem Tod.
Die junge Minna will ihren Fritz heiraten, was dessen Vater verhindern will, denn er hat über Minnas Mutter sehr viel böses gehört.
Und so erfährt man im Buch, wie eine Mensch reagiert, wenn es praktisch 5 vor 12 ist und er keine Wahl mehr hat.
Schreibstil:
Der ICH-Erzähler David Glenney, Neffe der Geschäftsfrau Mrs. Wagner, erzählt aus seiner Sicht, wie sich alles zugetragen hat.
Durch diese Nähe zum Geschehenen baut Wilkie Collins Spannung auf und macht eine damals sehr beliebte Methode des Mordens zum Gegenstand seiner Geschichte.
Charaktere:
Obwohl David Glenney der ICH-Erzähler ist, fungiert er doch bloß als Protokollant und hat sonst keine andere Funktion. Auch Fritz und Minna sind nur Nebendarsteller. Die eigentlichen Hauptfiguren sind Mrs. Wagner (eine beeindruckende Frau, die sich für die Rechte der Frauen stark macht), Madame Fontaine (die auch Jezebel, also als eine bösartige Frau, bezeichnet wird), Jack Straw (ein Patient aus dem Irrenhaus Bedlam, das besonders den Fans der Serie Penny Dreadful bekannt sein sollte) und Herrn Keller (Fritz' Vater). Eigentlich ist von ihnen einzig Mrs. Wagner wirklich sympathisch.
Fazit:
Ein klassischer Kriminalroman mit Mörder, Mordwaffe, Leiche und jeder Menge Unvorhergesehenem.
Lediglich kleinere Längen im Mittelteil haben mich etwas im Lesefluss aufgehalten.
Ich finde die Figuren, die Wilkie Collins Ende des 19. Jahrhunderts zeichnete, einfach fabelhaft. So vor allem seine Frauenbilder. Sehr modern und aufgeklärt für diese Zeit. Keine Naivchen, die man einem Mann von 1880 durchaus zugetraut hätte. Garantiert nicht das letzte Buch des Autors, dass ich gelesen habe.
Thomas Eichhorn
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
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Als der Kaufmann Wagner stirbt übernimmt seine Witwe sein Geschäft und seine fortschrittlichen Ideen. Während am Londoner Hauptsitz des Geschäftes Frauen bereits arbeiten ist der Handelspartner in Deutschland nicht ohne weiteres von der Idee zu überzeugen. David Glenney, Mrs. Wagners Neffe, reist nach Frankfurt a.M. um ihre Interessen zu vertreten und Erfahrungen zu sammeln. Fritz, der von seinem Vater nach London geschickt wurde, um seine nicht standesgemäße Geliebte zu vergessen, beauftragt David nach dem Mädchen zu forschen. Der Zufall bringt David mit dem Mädchen zusammen, doch auf deren Mutter lastet ein grauenhafter Verdacht. Unaufhaltsam verweben sich die Schicksale zu einem verhängnisvollen Geschick.
Während der Lektüre kommt manchmal der Verdacht auf, dass er seiner Kategorisierung als Kriminalroman nicht gerecht wird. Wenn auch immer wieder Zweifel aufkommen, ob das Offensichtlich tatsächlich der Wahrheit entspricht, glaubt man doch von Anfang an alles durchschaut zu haben. Erst nach und nach wird einem klar wie perfide der Autor arbeitet und wie komplex die Geschichte ist. Die Kriminalgeschichte ist wie ein hübscher kleiner Mantel, der die wahre Geschichte verbirgt. Wilkie Collins zeichnet ein meisterliches Bild des 19. Jahrhunderts. Die Gesellschaft, insbesondere die Rolle der Frau, porträtiert er exzellent. Doch auch der gesamte Umbruch, der sich im 19. Jahrhundert vollzog und herkömmliche Rollen zwischen Ständen und Geschlechtern für immer veränderte ist ein großes Thema. Wissenschaft und Magie, Vorurteile und Wirklichkeit, Wilkie Collins gab sich nicht mit einem Thema zufrieden. Mag die Kriminalhandlung ihrem Genre vielleicht nicht ganzgerecht werden, dieses Buch lohnt sich trotzdem auf jeden Fall!
„Jezebels Tochter“ erschien 1880, wirkt aber kein bisschen abgestaubt, denn Wilkie Collins sorgt mit einer ordentlichen Portion Spannung und Humor, sowie einer raffinierten Geschichte und vielschichtigen Charakteren für eine Leseerlebnis das wahrscheinlich nur wenige heutige Kriminalromanautoren bieten können.
Die schöne, aber arme Minna Fontaine liebt den reichen Kaufmannssohn Fritz Keller und umgekehrt – aber Vater Keller ist dagegen. Da besinnt sich Mutter Jezebel Fontaine auf ihre gestohlenen Giftfläschchen. Doch sie hat nicht mit dem geheimnisvollen Jack Straw und Mrs. Wagner aus London gerechnet, die beide im Haus des zukünftigen Bräutigams zu tun haben.
Die Geschichte wird von Mrs. Wagners Neffen David erzählt, der beschreibt, was etwas vor einem halben Jahrhundert passiert ist. Einiges hat er selbst miterlebt, anderes kennt er nur vom Hören – Sagen, aus Briefen oder Tagebuchaufzeichnungen. Mit dieser Erzähltechnik wirkt es irgendwie so, als ob diese Geschichte zu der Zeit wirklich so stattgefunden haben könnte. Deswegen wirkt David in seinem Erzählstil auch sehr nüchtern und er wird für den Leser auch schwer greifbar. Er ist eher der Beobachter der Geschichte und mischt sich nur wenig in das Geschehen ein. Er scheint dann auch mehr als naiv und man könnte ihn dafür schütteln, weil er seinen Mund so selten aufbekommt. Andererseits ermöglicht dieses „Nüchtern – Sein“ aber auch gleichzeitig, dass er als Erzähler mehrere Erzählstränge zusammenknüpfen kann. Und im Grund ist es schön, wenn der Erzähler so wertfrei wie möglich bleibt (es darf aber so viel verraten werden, dass ihm das an manchen Stellen dann aber auch wieder gar nicht gelingt, sodass er nicht vollkommen unmenschlich wirkt).
Um gleich bei den Figuren zu bleiben – sie sind eines der großen Pluspunkte der Geschichte. Allen voran die beiden Damen, die wie die Elemente Feuer und Wasser wirken. Sie sind die wirklich großen Figuren in der Geschichte und ein Gegensatzpaar, das Ihresgleichen sucht. Während Mrs. Wagner zwar sehr resolut ist, aber gleichzeitig auch eine sehr emotionale Seite an den Tag legt, die mitunter auch sehr vernunftgesteuert im positiven Sinne ist, ist Madame Fontaine das genaue Gegenteil. Sie wirkt von Anfang an sehr durchtrieben, die versucht ihre weiblichen Reize in das rechte Licht zu rücken, um, ohne Rücksicht auf Verluste, das zu bekommen, was ihr vermeintlich zusteht. Gleichzeitig ist sie aber nicht das „Böse“ per se, denn sie liebt ihre Tochter Minna über alles, zahlt aber schlussendlich einen hohen Preis dafür. Wenn dann solche Gegensätze aufeinanderprallen, kann man sich als Leser natürlich darauf einstellen, dass es zu Szenen kommt, die man einfach nur gerne lesen will. Was auch hier der Fall war. Mit einer gehörigen Portion Ironie lässt Collins die beiden Mädls aufeinander zulaufen und sie schenken einander nichts.
Sehr gut gefallen haben mir auch viele Nebenfiguren, wie etwa Hr. Engelmann (ein Geschäftspartner von Mrs. Wagner), Schwarz (der erst zu Ende der Geschichte auftaucht), der Arzt (der in regelmäßigen Abständen vorbeischaut, aber erst am Schluss sein richtiges Potential enthüllt) und natürlich Jack Straw, der in die ganze Handlung etwas äußerst Geheimnisvolles bringt und sie dadurch mehr als aufmischt. Minna und Fritz, ihren Bräutigam, fand ich ein wenig klischeehaft dargestellt, trotzdem durften sie nicht fehlen, weil eben die beiden für mich die gesamte Handlung ins Rollen brachten.
Womit wir bei der Handlung wären. Das Um und Auf des Buches – die Geschichte ist raffiniert, geistreich, spannend und unterhaltend. Also Alles, was man braucht. Zugegeben wirken manchen Ereignisse, wenn man sie reflektiert betrachtet sehr unrealistisch, aber trotzdem hat Collins es geschafft, dass er diesen Ereignissen vorangehende gekonnte Erklärungen liefert und man daher auch alles glaubt, was man liest. Eine wirklich erstaunliche und meisterhafte Leistung. Das Ende mutet vielleicht ein wenig skurril an – etwas das ich persönlich sehr gerne mag, womit aber bestimmt nicht jeder zurechtkommt.
Und nebenbei setzt sich Collins in „Jezebels Tochter“ für die Gleichberechtigung der Geschlechter ein und prangert die Zustände in den Psychatrien von damals an – ein weiterer Pluspunkt, wenn man bedenkt, wann der Roman erschienen ist.
Wie vielleicht schon bemerkt, bin ich von diesem Klassiker sehr angetan und ich empfehle ihn daher bedenkenlos weiter.
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