Cover des Buches Blick und Beute (ISBN: 9783875362824)
mecedoras avatar
Rezension zu Blick und Beute von Thomas Fritz

Rezension zu "Blick und Beute" von Thomas Fritz

von mecedora vor 12 Jahren

Rezension

mecedoras avatar
mecedoravor 12 Jahren
Jan Horvath ist nicht wirklich glücklich in seinem Leben, er lebt von Frau und Tochter getrennt, vereinsamt ein wenig allein in seiner Wohnung, trinkt zu viel und kann seine Kreativität nicht mehr so leben wie früher. Alles in allem eher ein Leben auf Sparflamme, eintönig, langweilig, beschwerlich und vor allem unbefriedigend. Bis er eines Tages morgens im Berufsverkehr mit seinem Handy ein Photo macht - ein Photo vom Geschehen im Auto hinter ihm. Dort findet ein ruppiger Kampf statt, eine Pistole wird gezogen, ein Schuss abgefeuert, ein Mann sackt zusammen - ein Mann, den Jan Horvath vage zu kennen meint. Dieser Mann ist Gregor de Kooning, Industrieller und prominente Figur im Leipziger Stadtbild. Und er wurde, wie kurze Zeit später bekannt wird, entführt. Und plötzlich ist Jan Horvath mittendrin in einem verwickelten Fall. De Koonings Angehörige, diverse Polizisten, Jan und auch die Entführer kommen zu Wort und liefern sich ein Katz-und-Maus-Spiel. Thomas Fritz schreibt mit "Blick und Beute", seinem Erstling, eine sehr gelungene und sehr ungewöhnliche Mischung aus Komödie, Tragödie, zeitgenössischem Roman und Krimi. Alle auftretenden Figuren sind nicht gerade Helden ihres Alltags, nicht gerade auf der Überholspur und nicht gerade wunschlos glücklich - es sind die kleinen Leute, Menschen mit Problemen und Befindlichkeitsstörungen, mit Charakterschwächen und Ängsten, mit einer großen Portion Resignation und ganz viel Ironie, die sein Personal bilden. Und diese Figuren sind wirklich gut gezeichnet - bärbeißig und verschroben, intelligent und tollpatschig, feige und wagemutig, bemitleidens- und bewundernswert. Allein die Figuren machen die Lektüre zu einem großen Spaß und einem interessanten Erlebnis - von der verwickelten Geschichte einmal ganz abgesehen. Gut konstruiert und mit einigen spannenden Passagen entwickelt sich ein Kriminalfall ohne unendlich viel Blut und Brutalität, aber auch ohne einen einseitigen Fokus auf die Ermittler und ihre Ermittlungen. Der Fokus ist viel weiter gestreut, weshalb auch nicht wirklich und ausschließlich von "Krimi" zu reden ist. Sprachlich ist das Buch wirklich gelungen, anspruchsvoll und manchmal ein wenig verschwurbelt, aber nie langweilig oder seicht. Mir hat auch und vor allem Thomas Fritz' Stil viel Freude bereitet, ist es doch etwas, worauf ich bei meiner Lektüre Wert lege. Was mich ein wenig gestört hat, sind die vielen Kursivsetzungen im Text, die für mich den Lesefluss an so einigen Stellen ein wenig ausgebremst haben. Sinn und Intension des Autors bezüglich dieser Stellen sind klar, ich finde die Lösung allerdings nicht unbedingt gelungen. Alles in allem: ein empfehlenswertes Buch für alle, die gerne Zeitgenössisches lesen, Charakterstudien, ironisch-komische, aber auch sehr ernsthafte Geschichten aus dem hier und jetzt, gewürzt mit einer großen Portion. Von mir gibt es für "Blick und Beute" vier Sterne.
Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks