Cover des Buches Das bin doch ich (ISBN: 9783833721373)
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Rezension zu Das bin doch ich von Thomas Glavinic

Rezension zu "Das bin doch ich" von Thomas Glavinic

von HeikeG vor 16 Jahren

Rezension

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HeikeGvor 16 Jahren
Außerhalb des Heroischen Thomas Glavinics Karneval der Selbstironie "Wer sich nicht selbst zum Besten haben kann, der ist gewiss nicht von den Besten", schrieb schon Johann Wolfgang von Goethe. Dieser Worte des Herrn Geheimrates hat sich Thomas Glavinic in seinem jüngsten Roman, der es 2007 auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises schaffte, angenommen. Sein Text strotzt geradezu vor Selbstironie. Dass ein Schriftsteller nicht gerade zimperlich mit seinem Buchhelden umgeht, auch wenn jener mehr oder weniger den Autor selbst verkörpert, ist gewiss kein Novum, aber keiner hat es so offen und schonungslos und gleichzeitig so humorvoll wie der Österreicher Thomas Glavinic betrieben. Auf den ersten (flüchtigen) Blick wirkt sein Roman vielleicht trivial, könnte gar unter Non-Fiction abgestempelt werden. Mitnichten, "Das bin doch ich" hat es faustdick hinter den Ohren, offenbart seine Tiefe vielleicht erst auf den zweiten Blick oder wie vorliegend, beim zweiten Gehör. Zum Schmunzeln, oft laut Lachen, kommt der Hörer auf den 4 CDs mit einer Laufzeit von beinahe fünf Stunden sehr oft. Obwohl sich über Humor - ähnlich wie dem Geschmack - freilich streiten lässt. Guter Humor hängt vielleicht sogar mit Wissen zusammen, als Reaktion auf die Dinge, die man kennengelernt und durchdacht hat: eine schöne Wahl des Distanzschaffens. Definitiv gehört einiges schriftstellerische Können dazu, scheinbar leichtfüßige, witzige und dahinsprudelnde Formulierungen zu Papier zu bringen. Der achtunddreißigjährige Wiener hat diesen Parcours jedoch meisterhaft bewältigt. Unverkrampfte und ungekünstelte Frische Thomas Glavinic erzählt über Thomas Glavinic, der nach Vollendung seines (tatsächlich zuvor veröffentlichten) Romans "Die Arbeit der Nacht" nicht etwa locker zurücklehnt und von der Anspannung der letzten Wochen und Monate erholt, sondern der von bohrenden Selbstzweifeln geplagt ist, als er vom zunehmenden Verkaufserfolg des Buches seines Freundes und Landsmannes Daniel Kehlmann - "Die Vermessung der Welt" - erfährt. "Jemand schreibt in der Süddeutschen, Daniel sei der beste Autor seiner Generation. Ich zucke zusammen. Das bin doch ich! mein erster Gedanke." Kehlmanns Verkaufszahlen steigen und steigen und er hält Glavinic mit regelmäßigen SMS darüber auf dem Laufenden. Seine Mutter gießt gleichfalls noch Öl ins Feuer: "Wann schreibst du denn mal so was?" Ja hat er doch! Doch warum meldet sich seine Literaturagentin nicht? Warum ruft kein Verlag an, um SEIN Buch zu veröffentlichen? Unablässig und zwanghaft kontrolliert er sein E-Mail Postfach oder die Handy-Mailbox. Warum passiert nichts? Warum interessiert sich keiner für ihn? Hinzu kommen seine zahlreichen Macken. Er ist ein ausgewachsener Hypochonder und extremer "Angsthase", steigert sich in Neurosen und zieht immerfort das (hausgemachte) Unglück an ("Typisch. Wo ich bin, geht es am tiefsten hinunter"). Glavinic beschreibt sich, seine Eitelkeiten und seine Schwächen ziemlich schonungslos und voller Ehrlichkeit, gnadenloser Selbstironie, Witz und Charme, in einer Diktion, die durch unverkrampfte und ungekünstelte Frische besticht. Und - er offenbart eine gehörige Portion Mut. Denn er präsentiert nicht nur sich, seine Besäufnisse und Phobien derart ironisch, sondern stellt gleichermaßen Familie, Freunde und "bekannte Personen des öffentlichen Lebens" (z. Bsp. Daniel Kehlmann, die Literaturkritiker Klaus Nüchtern und Denis Scheck, den Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, die Journalistin Clarissa Stadler, Thomas Maurer oder aber den "größten Starautor der westlichen Welt" - Jonathan Franzen) an den Pranger, ohne die realen Namen zu verändern. Maurer ist die Idealbesetzung Sicherlich ist ein großer Teil dieses sympathischen Außenseiters der echte Thomas "Glawenetsch" (nicht einmal sein Name wird in Verlagskreisen korrekt ausgesprochen), und doch ist das Buch keine Autobiografie, sondern ein Roman. Es "ist ein Spiel mit Identitäten, in erster Linie mit jener des Ich-Erzählers", erklärt Glavinic, "weil das nicht ich bin." Er hat Szenen erfunden und präsentiert sie als hochamüsante Satiren und lauter lustige, pointierte und anekdotisierte Leidensgeschichten. Und ganz gleichgültig, ob wahr oder erfunden, "Das bin doch ich" ist ein amüsantes und subtiles Spiel mit Schriftstellerklischees, und eine "schonungslose Entkleidung der merkwürdig eitlen Gesellschaft, die sich rund um die Ware Buch versammelt", wie die "Hessische Rundschau" schrieb. Mit dem österreichischen Kabarettisten Thomas Maurer ist die Idealbesetzung gefunden worden. Diese Hörbuchfassung ist nicht nur eine Lesung, sondern Maurer entfaltet sich im wahrsten Sinne des Wortes. Man meint ihn förmlich gestikulieren und das Gesicht zu verschiedenen, situationsbedingten Grimassen verziehen zu sehen. Sein charmanter Wiener Dialekt, der unüberhörbar mal ärgerlich grummelnd, dann wieder verlegen entrückt, ängstlich oder echauffiert wirkt, bringt Glavinics Text geradezu prädestiniert herüber. Der sprachlich äußerst gewandte Maurer macht aus dem Hörbuch ein maßgeschneidertes, facettenreiches und gewitztes kabarettistisches Schauspiel, mit perfekt imitierten und interpretierten Stimmen. Er prägt diese Hörbuchfassung durch seinen persönlichen Stil und gibt ihm ein charismatisches Profil. Maurer setzt der ohnehin grandiosen Buchvorlage das sogenannte i-Tüpfelchen auf. Fazit: Taschentuch erforderlich und von Lachtränen verschleierte Augen garantiert, denn Thomas Maurer versteht es grandios den pointierten Ton des Autors zu treffen. Fast ist man geneigt zu sagen, dass die großartige Hörbuchversion das geschriebene Wort noch übertrifft.
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