Rezension zu "Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer" von Thomas Grüter
Die Geschichten über die Entstehung von Legenden anhand realer historischer Ereignisse und die Erklärung der psychologischen Ursachen und Mechanismen zur langsamen Reifung einer Theorie sind die noch seriösesten und belegbarsten Abschnitte des Buches. Sie fußen auf psychologisch und geschichtlich fundierten Fakten und erklären anschaulich, wie aus erklärbaren Ereignissen aus einer kleinen Initialzündung heraus eine immer weiter von der eigentlichen Realität entfernte Version entsteht, bis es mitunter geschehen kann, dass die wirklichen Ereignisse durch eine alternative Version ersetzt werden. Wobei in dem Bereich von Schwarz- Weißmalerei generell mit Glacehandschuhen gearbeitet werden sollte, um einseitige Meinungsbildung zu vermeiden und die Richtigkeit historischer Erzählungen auch so eine Sache ist. Von wegen Geschichte wird von Siegern geschrieben und wehe den Besiegten. Die generelle Elastizität und Kreativität des Menschen im Umgang mit Wahrheit, speziell unter dem Gesichtspunkt von Machtergreifung sowie dessen Erhalt, sollte einem stets kritisch vor Augen führen, wer an welcher Wahrheit wie profitieren kann anstatt sich hirnlos von These zu Antithese zu hangeln, je nachdem was der opportunistischen Mode gerade entspricht oder was sich am ehesten schick raumverschönernd im selbstgezimmerten Käfig der eigenen Vorurteile und durch Indoktrination und Prägung vorgefassten Meinungen macht, die man den freien, menschlichen Willen zu nennen pflegt.
Die interessanten und kurzweiligen Passagen, wie das Basteln einer eigenen Verschwörungstheorie und die Vorstellung beliebter Thesen beziehungsweise deren Urheber und bekannter Verschwörungsliteraturprofiteure beziehungsweise Autoren, können aber nicht das leider konservativ-staatsgläubige Weltbild des Autors kaschieren, das dieser nicht der wissenschaftlichen Seriosität wegen etwa für die Dauer des Schreibprozesses deaktiviert, sondern munter in seine Schlussfolgerungen miteinbezieht. Wie und mit welcher Legitimation er sich erdreistet, aktuelle oder noch in diesem Jahrtausend geschehene Vorkommnisse unter dem Generalverdacht der Verschwörungstheorie abzutun, erweckt den Eindruck, als wäre er sich der Ironie dessen, am Ende des Buches auf genau die plumpen Manipulationsmechanismen, die er den Verschwörungsjüngern latent anlastet hereinzufallen, in keiner weise bewusst. Dass er sich, chronisch auf dem Zug der offiziellen und politisch korrekten Meinung aufspringend, selbst jeglicher Fachkompetenz enthebt wird ihm angesichts des Profits als Autor mehrerer Bücher zu verschiedenen Themen nach gleichem Schema wenig stören.