Cover des Buches Tess of the d'Urbervilles (ISBN: 9783195829588)
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Rezension zu Tess of the d'Urbervilles von Thomas Hardy

Rezension zu "Tess of the d'Urbervilles" von Thomas Hardy

von sabisteb vor 12 Jahren

Rezension

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sabistebvor 12 Jahren
1891 veröffentlichte der englische Schriftstellers Thomas Hardy diesen Roman, der unter seinen Zeitgenossen eher gemischt aufgenommen wurde, wohl weil es für damalige Verhältnisse eher freizügig zuging bzw. einfach realistisch beschrieben wurde, wie es eben in der Welt zugeht, damals und auch heute. Wenn der Roman heute geschrieben worden wäre, würde man die Handlung wohl so zusammenfassen: Die sechzehnjährige Tess Durbeyfield kommt aus einer kinderreichen Präkariatsfamilie. Da ihr Vater ein Trinker und die Mutter geistig unterbelichtet ist (der Autor nennt es kindliches Gemüt), bleibt viel an täglicher Arbeit, vor allem auf die Sorge um ihre sechs kleineren Geschwister an Tess hängen. Als ihr Vater eines Tages zu betrunken ist, um seiner Arbeit nachzugehen, versucht Tess die Waren auf den Markt zu bringen, dabei kommt es zu einem Unfall und das Pferd stirbt (Heutzutage würde sie wohl den Familienlieferwagen zu Schrott fahren). Da die Familie nun ihres Einkommens beraubt ist, bleibt Tess nichts anderes übrig als zu versuchen, das Geld für ein neues Pferd zu verdienen. Mit ihren 6 gerade mal Schuljahren (heute wohl eine Hauptschulabbrecherin) kann sie keine großen Ansprüche stellen und wird Tierpflegerin für das verhätschelte Hausgeflügel einer exzentrischen, reichen, alten Dame, nichts ahnend, dass deren Sohn sie nur eingestellt hat, weil er auf sie steht, denn Tess ist schön, schöner als gut für sie ist, denn sie ist leider auch nicht sonderlich helle. Hübsch, ungebildet und naiv sind eine desaströse Kombination, wenn ein Mädchen auf sich allein gestellt ist. Es kommt wie es kommen muss, Alec D’Urberville versteht kein nein, oder hält es für ein ja und vergewaltigt Tess. Sie verlässt ihre Anstellung, aber es ist zu spät, sie ist bereits schwanger und wird mit siebzehn zur Teeniemutter. Der kleine Junge jedoch stirbt und weil Tess es daheim nicht aushält, nachdem sie einmal die Freiheit gekostet hat und auch weil daheim jeder ihre Schande kennt, sucht sie sich einen neuen Job. Diesmal als Melkmagd. Erneut kommt es wie es kommen muss. Auf dem Hof lernt der Pfarrerssohn Angel Clare was man braucht, um ein guter Gutsherr zu werden. Natürlich verguckt er sich sofort in Tess, auch wenn sie ihn abweist, versteht auch er kein nein, bedrängt sie, nervt sie bis sie ja sagt und einwilligt ihn zu heiraten. Angel hat ein dunkles Geheimnis, er hatte eine Affäre mit einer älteren Frau, das beichtet er seiner neu Angetrauten, die den Mut fasst und ihm ihre Vergangenheit gesteht, die ja seiner nicht unähnlich ist… Dieser Roman ist zeitlos, weil die Themen dieser Geschichte zeitlos sind. Hübsche, ungebildete Frau, zu naiv um sich der Männer zu erwehren oder Contra zu geben, mit zu wenig Selbstbewusstsein ihren Weg zu gehen und daher ihren Mann und Beschützer anhimmelnd scheint genau das Jagdschema der damaligen Männer gewesen zu sein (und auch vieler heutiger Männer). Ehrlicherweise ging mir Tess mit ihrer Naivität streckenweise ungemein auf die Nerven. Ich bin mir immer noch nicht sicher ob sie einfach nur ungebildet, naiv oder wirklich eher dumm wie ihre Mutter ist, so wie sie sich teilweise verhält (vor allem gegen Ende). Auch wie sie sich in ihrem Selbstmitleid sonnt und sich für ihre Schuld, die nicht ihre Schuld war, selbst kasteit ist teilweise wirklich anstrengend zu lesen, man möchte sie am liebsten schnappen und schütteln. Dennoch geht es hier um eine zeitlose Frage. Soll man eine vergangene Beziehung beichten oder nich? Tess Mutter sagt, sie soll die Klappe halten (OK, ganz so dumm ist sie wohl nicht). Der Autor vertritt die Meinung, die auch heute noch vertreten wird " that having shifted the burden of her life to his shoulders, she was now reposing without care." D.h. dass sie ihr Gewissen auf seine Kosten erleichtert, also im Klatext: Klappe halten wäre besser gewesen. Angel Clare, Tess Gatte, der zunächst, wie sein Name schon sagt, engelsgleich aufgebaut wird, in Tess Augen der perfekte Mann, dem sie nicht würdig ist, dem sie sich unterordnet, erweist sich schon bald als so engstirnig wie seine Zeitgenossen, statt sich einfach mal an die eigene Nase zu fassen, schließlich war er auch keine Jungfrau mehr. Der große böse Mann, Alec D’Urberville, macht in diesem Roman wohl die meisten Wandlungen durch und man ist sich bis zum Schluss nicht klar, liebt er sie, will er sie nur besitzen, oder ist eine Liebe so besitzergreifend, dass sie schon wieder grausam ist? Eine klassische Dreiecksgeschichte, aber ohne Kitsch und mit lauter grauen Personen. Keine Schwarz-Weiß Malerei, keine wirklichen Sympathieträger, kein Kitsch und Pathos trotz Liebesgeschichte. Das ist die große Kunst des Thomas Hardy und das Ganze dann noch mit einer Zeitlosen Geschichte verknüpft, die man so recht schnell in unsere Zeit transferieren könnte, rechtfertigt, dass dieser Buch ein Klassiker ist, auch wenn er schon ab und an ein paar Längen hat.
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