Welche ein unglücklicher Mensch! Vergangenheitsverloren und am Zipfel eines Übervaters! Sein ganzes langes und schaffensreiches Leben lang distanzierte sich Thomas Harlan von seinem Nazivater Veit Harlan. Dieser war der zentrale Filmemacher der Nazis, diente sich ihnen regelrecht an, hunderttausende sahen seine giftigen, antisemitischen und gewaltverherrlichenden Filme. Sein Sohn Thomas filmte dagegen, deckte Verbrechen auf, recherchierte den Terror, schrieb gegen das Erbe an.
Und jetzt, an seinem Lebensende, schmettert er in gekünstelt expressionistischer Sprache ein Vaterbuch hin, das sich gewaschen hat. An einer Stelle jammert der Enterbte (warum ist er nicht stolz darauf?) den Originalen von Cranach und Frans Hals nach, die aus der Erbmasse verschwunden sind. Vier Seiten weiter winselt - ja winselt - er um Verzeihung für entzogene Sohnesliebe und Treue.
Vom Frieden in der Seele schreibt er auf knapp hundert Seiten hundertfach. Warum? Mit einem überzeugten Nazi kann es niemals Frieden geben, der will das gar nicht, der kann das gar nicht, der weiß noch nicht einmal, was Frieden ist.
Doch geradezu unappetitlich wird es, wenn mit dem Familienreichtum kokettiert wird. Mehrfach im Buch wird der sterbende Vater aufs Plateau im Tessin gerollt. Meine Güte, seine Statisten in Polen starben anders! Immer wieder werden die vielen Wohnungen der Familienmitglieder im In- und Ausland erwähnt. Was soll das? Warum erwähnt er nicht, dass sein Vater den in der Nazizeit angehäuften Reichtum in die Bundesrepublik mitnehmen konnte, er nie belangt wurde?
Man kann seinen Vater durchaus hassen. In seinem persönlichen Fall ist das absolut angebracht und eine Frage der Ehre. Man kann ihn auch verfluchen und zusehen, dass man seinen Namen abstreift. Aber keinesfalls sollte man ihm psyeudoliterarisch hinterhergreinen.