Über Queen Elizabeth ist Zeit ihres Lebens viel geschrieben worden. Vieles davon in den Regenbogenblättern, weniges in den seriöseren Postillen. Bücher gibt es zahlreiche. Auch in Deutschland war und ist das Interesse an der Queen, an ihrem Leben und ihrem Wirken hoch, dies erfuhr nach ihrem Ableben im September 2022 noch einmal eine Steigerung.
Thomas Kielinger ist in der Berichterstattung über das UK den Lesern kein Unbekannter, war er doch viele Jahre Korrespondent beim Springerblatt "Die Welt" in London und berichtete von dort über Politik und Kulture, über Land und Leute. Dazu gehört eben auch die Royal Family. Kein Aspekt ihres Lebens, der nicht beleuchtet wurde. Sogar vor der Geburt sorgte Elizabeth Windsor bereits für Schlagzeilen als am 20. April 1926 der britische Innenminister in die Wohnung in 17 Bruton Street in Mayfair gerufen wurde, um einer königlichen Geburt beizuwohnen. Der *Daily Sketch* schrieb am Folgetag
"eine mögliche Königin von England wurde gestern ... geboren." (S. 9-10)
Kielinger beschreibt mit QEII eine Person, deren ganzes Leben vor 1952 auf die Pflichterfüllung als Monarchin getrimmt wurde. Dies zeigte sich beispielsweise in der gefassten Äußerung
"Welche Formalitäten muss ich in dieser Stunde erfüllen?" (S. 117)
als sie vom Tode ihres Vaters erfuhr und sie damit als designierte Thronfolgerin feststand. Wie sehr sie sich in der Pflicht gegenüber ihren "Subjects", ihren Untertanen fühlte, zeigt ein Zitat aus einer Radioansprache aus dem Jahre 1947 in der sie ihr Leben, ob kurz oder lang, dem Dienst am ihrem Volk widmete. (S. 86)
Kielinger weiß, wovon er spricht und kann aus dem Vollen schöpfen: Zitate von ehemaligen Angestellten, autorisiert oder nicht, fließen in die Erzählung ebenso ein wie kurze Statements von Journalisten, Politikern und Historikern sowie der Queen selber. Dabei wirkt der Stoff nie leicht oder seicht, sondern wird mit der nötigen Ernsthaftigkeit vorgetragen. Und doch kann er es sich nicht verkneifen, hin und wieder kleine Spitzen zu setzen. Feine Ironie gehört zum britischen Markenkern und wurde vom Verfasser dieser Zeilen, selbst mit Erfahrung in UK versehen, wohlwollend aufgenommen.
Es gibt natürlich auch Kritikpunkte. Ein grober Schnitzer ist die Übersetzung "Winter des Missvergnügens", des "Winter of discontent". Das ist schon ziemlich frech, wenn nicht gar abwertend. Denn der in Frage kommende Winter 1978/79 war keinesfalls einfach und auch die Jahre davor, waren kein "Vergnügen", eher eine Zeit der Krisen und des Aushaltens. Wenn dieser Winter eines war, dann der letzte Beweis, dass eine radikale Veränderung nötig war, dass diese in Person Margaret Thatchers kam, war Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil ihre Politik ausschließlich auf Konfrontation setzte, was sie in Gegensatz zur Queen stellte, die versuchte, Konsens zu wahren, wann und wo immer möglich. Segen, weil ihre Politik nichts anderes als eine Revolution darstellten, wie Paul Addison anmerkte.[^1]
Natürlich darf in einem Buch über die Queen auch ein Kapitel über Deutschland nicht fehlen. Das hat seine Berechtigung, geht doch das Haus Windsor auf deutsche Ursprünge zurück, hatte Philipp ebenso deutsche Vorfahren und war die Beziehung zwischen Großbritannien und Deutschland im 20. Jahrhundert eine ganz besondere. Durch Krieg gesätes Misstrauen wich nur langsam. Geholfen haben dabei verschiedene Anlässe, darunter auch ein sehr trauriger: das Flugzeugunglück auf dem Flughafen München, bei dem im Februar 1958 Spieler von Manchester United und englische Journalisten ihr Leben verloren. Der Staatsbesuch der Queen im Mai 1965 eine Antwort auf de Gaulles Veto zum Beitrittsgesuch der Briten 1963. Der französische Präsident wollte eine zu starke Bindung Deutschlands an Großbritannien verhindern, während die britische Regierung ein „karolingisches“ Reich verhindern wollte. Die Popularität der Queen erklärt sich wohl aus der Vergangenheit und des Verwandtschaftsgrades.
Mit offener Kritik hält sich Kielinger zurück - es genügt, die Kosten für den Steuerzahler hin und wieder zu erwähnen. Gleichzeitig betont er, dass es die Briten nicht schaffen werden, ihre Monarchie abzuschaffen - das Angebot von Prinz Philipp haben sie ausgeschlagen. In Zeiten der Krise ist der Rückhalt in der Bevölkerung stärker denn je. Das galt schon 1945 und das gilt erst recht in den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts.
Was Kielinger nie müde wird zu betonen, ist Elizabeths Pflichtbewusstsein dem Amt gegenüber - alles wurde diesem untergeordnet. Ein klein wenig schwingt wohl auch mehr als nur Respekt in den Worten mit. Die britische Monarchie ist mehr als 1000 Jahre alt aber Queen Elizabeth II. hat eindrucksvoll bewiesen, dass eine Monarchie mit der Zeit gehen kann, ja muss, wenn sie überleben will.
"Das Leben der Queen" ist kein akademisches Werk, gleichwohl es für Akademiker von Nutzen sein kann - es ist Pflichtlektüre für jene, die mehr über die Queen und ihre Zeit erfahren möchten.
[^1]: Addison, P., No turning back: the peacetime revolutions of post-war Britain (Oxford: Oxford University Press, 2010), 259-260.