Rezension zu "Tobias Mayer" von Thomas Knubben
„Meer und Erd' und den grenzenlosen Himmel hast du, Mayer, gemessen“ mit diesen Worten, angelehnt an Verse des römischen Philosophen und Dichter Horaz, beginnt der Mathematiker Abraham Gotthelf Kästner die Gedenkrede auf seinen verstorbenen Kollegen Tobias Mayer (1723–1762).
Wie schon Bernhard Weißbecker in „Die Vermessung des Meere, des Himmels und der Erde“ beschäftigt sich auch dieses Buch von Thomas Knubben mit Tobias Mayer, einem Mann, der nur in den Fachgremien der Vermessungskundler, Kartografen, Astronomen und den Mathematikern bekannt sein dürfte. Selbst mir, die sich mit Vermessungskunde und Kartographie beruflich beschäftigt, waren die Details aus Tobias Mayers Leben nicht so recht geläufig. Dabei basieren zahlreiche Anwendungen, die wir täglich verwenden wie Navigationssysteme auf Tobias Mayers Erkenntnissen und Berechnungen.
Wer ist er nun, dieser Tobias Mayer?
Geboren als Sohn eines mittellosen Handwerkers in Marbach gibt ihn seine Mutter, nach dem frühen Tod seines Vaters, in das Esslinger Waisenhaus, weil sie nicht für ihn sorgen kann. Dort erhält er die damals übliche Erziehung und interessiert sich schon als Kind für Mathematik. Mit 18 Jahren hat er sein erstes (Mathematik)Buch veröffentlicht. Zuvor hat er den ersten Stadtplan von Esslingen gezeichnet. Dieses zeichnerische Geschick sowie sein mathematisches Genie wird von seinen Gönnern erkannt und gefördert. Vier Jahre später folgt sein „mathematischer Atlas“. Danach beruft man ihn an als Kartograf an die Nürnberger Universität. 1751 wurde er Ordinarius für Ökonomie und Mathematik in Göttingen, ohne jemals selbst an einer Universität zu studieren. Eine gewaltige Leistung für einen ehemaligen Zögling eines Waisenhauses.
Thomas Knubben erzählt an Hand von Tobias Mayers Lebenslauf die Gepflogenheiten und das Leben der Menschen im 18. Jahrhundert. So begleiten wir Tobias Mayer und seine eben angetraute Ehefrau gleich zu Beginn des Buches auf ihrer Hochzeitsreise von 1751 von Nürnberg nach Göttingen. Eine mühsame Reise, die durch zahlreiche kleine Fürstentümer und Zollgebiete führt, die mit unterschiedlichen Währungen und Maßeinheiten den Reisenden das Leben zusätzlich schwermachen. Eine Elle in einem Fürstentum ist nicht gleich lange wie die gleichnamige Maßeinheit beim Nachbarn. Hier hat sich Tobias Mayer schon Gedanken über eine Vereinheitlichung gemacht. Bis zur Internationalen Meterkonvention wird es noch bis am 20. Mai 1875 dauern.
Doch dieses Buch ist nicht nur die Geschichte dieses Ausnahmetalents, das mit 39 Jahren an Typhus stirbt, sondern auch die Geschichte der aufstrebenden Wissenschaften an denen Tobias Mayer mit seinen Werken großen Anteil hat. Berühmtheit im wissenschaftlichen Umfeld erlangt er durch die exakte Vermessung des Mondes, die später als Grundlage für einen Mondglobus dienen sollten. Bekannt ist auch sein Fixsternkatalog mit 998 Sternen.
Mayer hat großen Anteil am Wettstreit um die Bestimmung des Längengrades, den das „Britisch Board of Longitude“ ausgeschrieben hat. Ein Teil des Preises wird ihm zuerkannt. Allein seine Witwe muss mehr als drei Jahre um die Auszahlung des Preisgeldes kämpfen, von dem ihr dann nur ein Bruchteil der ausgelobten Summe ausbezahlt wird. Seine Verdienste um die Geographische Länge macht die Seefahrt deshalb sicherer, da er den Mond und von ihm erstellte Mondtabellen zur Positionsbestimmung herangezogen hat.
Für viele seiner praktischen Erkenntnisse muss Tobias Mayer selbst Werkzeuge erfinden und konstruieren.
Autor Thomas Knubben ist selbst Professor an der Uni Ludwigsburg und hat hier ein wunderbares Buch verfasst, das nicht nur die schier unglaubliche Geschichte eines Mannes, der vom Zögling eines Waisenhauses zum Ordinarius aufsteigt, sondern auch das damalige wissenschaftlich Umfeld detail- und kenntnisreich beschreibt. Ergänzt wird dieses penibel recherchierte und gekonnt erzählte Buch durch zahlreiche zeitgenössische Abbildungen sowie einem ausführlichen Literaturverzeichnis. Wer Lust hat, sich in diese Materie zu vertiefen, findet darin genügend Anregungen.
Fazit:
Gerne gebe ich dieser schier unglaubliche Geschichte eines Mannes, dessen Werk wir heute alle nutzen, der aber nur mehr einem kleinen Kreis von Wissenschaftlern bekannt ist, 5 Sterne.