Es ist schon eine Weile her, dass Henry James, der 1916 verstarb, diesen Satz über London in sein "Tagebuch eines Schriftstellers" notierte. Ob man das heute auch noch so sehen kann, steht auf einem anderen Blatt.
Dieser Band stammt aus der Reihe "Europa erlesen". Ohne ein erkennbares System findet man in ihm zahlreiche Auszüge aus bekannten Werken, kleine Geschichten und Erzählungen, Notizen und Gedichte, die alle einen Bezug zu London besitzen und meistens aus einer entfernteren Vergangenheit stammen. Dass unter ihnen auch einige wenige Stücke in Englisch belassen wurden, trägt zur Überraschung bei, die den Leser an vielen Stellen erwartet. Offenbar funktioniert die Idee solcher Bände, jedenfalls steht das im Vorwort. Mich wundert dies ein wenig, aber wahrscheinlich liegt das an mir, denn ich brauche wohl ein wenig mehr Orientierung, um eine Vorstellung von den einzelnen Handlungsorten zu bekommen. Der Band enthält selbstverständlich keine Bilder oder gar Karten, dafür aber eine lange Liste von Stationen der Londoner Tube, die dem Leser helfen ihr Vorkommen in den vielen Geschichten zu verfolgen. Vielleicht ist das ja die fehlende Orientierung.
Neben vielen weniger bekannten Autoren kommen auch Klassiker wie Virginia Woolf, Daniel Defoe, Oscar Wilde, Joseph Conrad, T.S. Eliot, Herman Melville, Charles Dickens, Arthur Rimbaud, Arthur Conan Doyle, H.G. Wells, Samuel Beckett und viele andere vor. Wenn man Kurzgeschichten mag oder einen besonderen Bezug zu London und seiner Geschichte besitzt, dann wird man Freude an diesem Band haben. Er liest sich fast wie nebenbei, denn wenn man sich gerade in eine Geschichte eingelesen hat, ist sie auch schon zu Ende. Sicher eine schöne Idee, aber auch sicher nicht jedermanns Sache.
"Es ist die größte Ansammlung menschlichen Lebens - der vollständigste Abriß der Welt"