Auf der Suche nach der Stille des Todes
von Alais
Kurzmeinung: Für einen Krimi eine ungewohnt anspruchsvolle sprachliche Komposition
Rezension
In Jettenbrunn kommt Karl Heidemann zur Welt. Von Anfang an stellen diese Welt und die Menschen in seiner Umgebung ihn vor Rätsel. Er ist keineswegs dumm und verfügt außerdem über ein außergewöhnlich gutes Gehör, das ihn sogar den Schlag des Herzens eines Menschen in einigen Schritten Entfernung deutlich hören lässt. Doch so wie die Welt ihn, sein fehlendes Lächeln, die überbordende Liebe in ihm und die Tatsache, dass er ein überempfindliches Gehör hat, nicht versteht, versteht auch er die Welt nicht. Eine von der auf dem Land üblichen Gewalt gegenüber Tieren geprägte Welt, eine Welt, in der bei häuslicher Gewalt weggesehen wird, qualvoll auf dem Krankenbett sterbenden Menschen die Erlösung durch Euthanasie verweigert, diese jedoch Haustieren gewährt wird. Karl lässt dieses Unverständnis zum vielfachen Mörder werden ...
Das Schlimme an dieser Erzählung war für mich, dass ich Karl oft so gut verstehen konnte, mich ihm sogar nahefühlte. Dadurch, dass er so gut wie nie mit den anderen Menschen kommuniziert, bewahrt er sich sehr lange eine Art kindlicher Naivität und es gibt tatsächlich einiges in unserer Gesellschaft wie die Jagd, was sich nur mit dem ausgeprägten Zynismus und der Resignation (oder der Herzlosigkeit) eines Erwachsenen tolerieren lässt. Ich war regelrecht froh, dass es dann doch wieder Stellen gab, an denen ich mich fragte, wie er sich anmaßen kann, so in das Leben (bzw. in den Tod) anderer Menschen einzugreifen - und dies, ohne vorher mit ihnen zu reden, wie kann man nur dem eigenen Urteil so sehr vertrauen ...
Karls Geschichte fesselte mich sehr und der Autor Thomas Raab beschreitet mit ihr etwas andere Wege als andere Krimi-Autoren, was mir sehr gefiel. Dennoch hätte ich sie mir ein wenig gestrafft gewünscht (diese Hörbuch-Version hat eine Dauer von 9 Stunden 4 Minuten).
Thomas Raab ist nicht nur Schriftsteller, sondern auch Komponist und Musiker und dies merkt man dieser Erzählung auch an: Er schreibt schöne, kunstvoll zusammengestellte Sätze, die gekonnt Stimmungen einfangen und Menschen charakterisieren. Auch der Sprecher Frank Arnold stellt für diese Geschichte einen Glücksgriff dar - seiner Stimme hört man gerne zu und sie passt wunderbar für diese feinfühlig erzählte und doch so unheimliche Geschichte.