Walter Klein ist wieder aktiv! Der etwas abgehalfterte deutsche Journalist lebt und arbeitet in Belgrad, Offensichtlich wird er aber mit journalistischen Aufträgen nicht überhäuft, so dass er private Rechercheaufträge wenn auch zögerlich, aber doch mit Blick auf die Vermieterin, die ständig mahnt, ganz gern annimmt.
Persönliches, Privates und seine Aufträge vermischen sich immer mehr, als er vom plötzlichen Tod eines neugeborenen Mädchens erfährt, dessen Geburt er gerade noch in der Nacht ausgiebig und mit tradionellem Hemdzerreißen des frischgebackenen Vaters gefeiert hat. Nikolina soll nachts gestorben sein, morgens wird der völlig aufgelösten Mutter erklärt, das Kind sei verstorben und bereits kremiert. Das lässt alle Alarmglocken schrillen, aber die Eltern sind so geschockt, dass sie nicht zu Polizei gehen. Ihr Freund Walter aber will die Sache nicht auf sich beruhen lassen und bohrt und bohrt pro bono in jedem erdenklichen Winkel des verdächtigen Krankenhauses.
Parallel zu diesem Drama erhält er den Auftrag eines Bosniers, seinen im Krieg verschwundenen Sohn zu finden. Dieses soll von einem alten Soldaten verschleppt und verkauft worden sein. So die Legende. Walter stürzt sich auch in diesen Fall.
Zwischendurch hat er arge Bauchschmerzen wegen seiner verflossenen Liebe Vanja und seiner letzten One-Night-Flamme, der er ohne Adieu zu sagen, aus dem Bett entwischt ist. Leider ohne seine Jacke.
Walter macht sich also auf, die Geheimnisse zu lüften, leider versterben ihm potentielle Zeugen zu Hauf. Was ihn natürlich noch misstrauischer macht. Das bosnische wie auch das serbische Behördenwesen, Ärzte und Personal des besagten Krankenhauses, Bewohner merkwürdiger und abgelegener Ort machen ihm das Ermitteln kaum leichter. Dass es für Walter bisweilen auch gefährlich wird, ist voraussehbar, aber durchaus lesenswert.
Mir hat die Charakterisierung der Protagonisten sehr gefallen, jeder für sich ein Unikat, ich konnte mir die Menschen vorstellen und auch die Gegend, durch die Walter fährt, ist gut beschrieben. Der Schreibstil ist manchmal etwas gewöhnungsbedürftig, manche Floskeln wiederholen sich, manches könnte etwas "feiner" ausgedrückt werden. Aber alles in allem ist das Buch gut und flüssig lesbar.
Über Einzelheiten schreibe ich hier nicht, eines will ich aber anderen Lesern trotzdem als Empfehlung geben: es bleibt durchaus spannend bis zum Schluss.
Der Autor kennt sich gut aus mit der Balkanmentalität wie auch mit der Balkangeschichte. Für mich eine interessante Auffrischung der Erinnerungen an den Balkankrieg der 1990er Jahre und seine dramatischen Folgen.
Das Verschwinden von Kindern, die für eine schon als Kindermafia zu bezeichnende Verbrecherbande im ehemaligen Jugoslawien eine lukrative Einnahmequelle bildeten, ist keineswegs eine fixe Idee des Autors. Das sind recherchierbare Tatsachenereignisse, die sich dort nicht erst seit 1991 ereigneten, sondern schon mindestens 20 Jahre zuvor für Aufsehen sorgten. Aber der Balkan steht nicht allein für solche Art von Kinderraub, während der Pinochet-Diktatur in Chile zum Beispiel ist das in Tausenden Fällen geschehen. Ein immer noch brandaktuelles Thema, das der Autor da für seinen Krimi ausgewählt hat, denn viele der heute erwachsenen Adoptivkinder sind nun auf der Suche nach ihren Wurzeln.
Fazit: ein wirklich spannender Krimi, in dem der Autor eine Menge Probleme verarbeitet hat und der beim Lesen auch zum Nachdenken über die Geschichte anregt. Mir hat das Buch gefallen, wenn Walter Kühn mal wieder einen Recherchefall übernimmt, lese ich ihn gern.
#DieSpurderKinder #NetGalleyDE