Rezension zu "Die Älteste" von Thomas Sautner
Du hast Krebs und es gibt keine Behandlungsmöglichkeit? Hier eine Heilmöglichkeit, die garantiert funktionieren wird, darauf schwört der Autor mit Leib und Seele: Heiße den Krebs willkommen! Danke ihm, grüße ihn, liebe ihn, lass ihn wachsen, kämpfe nicht dagegen an, weil der Tumor in deinem Hirn ein Teil von dir ist, so wie deine Arme und Beine auch. Und voila, sechs Wochen später krebsfrei, garantiert. Ur Blödsinn, oder? Aber genau das vermittelt dieses Buch, das auf wahre Begebenheiten beruht.
Ich habe so hart meinen Kopf geschüttelt, dass ich mir fast das Genick gebrochen habe. Aber lassen wir das mit den Fakten, der Wissenschaft, der jahrzehntelangen Studienergebnissen, ignorieren das A und O der Gesundheit, sondern wenn ich mich nur auf das Buch einlasse, nur auf den Stil, was habe ich dann: Ein mieses Buch.
Die Hexe am Fluss benimmt sich wie der ärgste Vollidiot, der beim Lesen mir schon das Blut zum Kochen gebracht hat. Auf jede Frage reagiert sie immer völlig abweisend und wenn man zu viele Fragen stelle, würde man damit alles nur schwermachen. Wieso? Wieso machen Fragen das Leben schwer? Ist Unwissenheit ein Segen? Ein Polizist, der mich mal aufgehalten hat, sagte mir damals etwas, das sich eingebrannt hat: Unwissenheit schützt nicht vor Strafe.
Die alte Frau am See wird keinen Momentlang sympathisch. Sie benimmt sich immer allwissend und ist im Grunde supergemein. Alles, was sie macht, fühlte sich beim Lesen so an, als würde sie es spontan machen, aus dem Stegreif heraus, und es dann so vermarkten, als hätte sie ein kleines Wunder vollzogen.
Die Protagonistin selber wird so schnell vom Autor verbogen, als besäße sie keine Knochen. Ja, sie ist verzweifelt, am Ende, aber sobald sie bei der Hexe auftaucht, die sich so danebenbenimmt, die sie sogar wütend macht, nimmt sie alles hin und schluckt alle ihre Gefühle hinunter. So verzweifelt wie sie ist, hätte sie sich frustriert vor der Hexe abwenden müssen, aber nein, die Hexe steigt in ihren Augen so schnell zu einer Gottheit, dass ich überrascht bin, dass sie ihre Seele nicht gleich verkauft hat.
»Lisbeth, ich muss auf die große Seite.
Auf die große Seite, wiederholte sie, sichtlich amüsiert. Und dann: Scheißen musst, oder?«
Ich habe noch nie gehört, dass jemand sagt, er müsse auf die große Seite. Wer sagt das? Seite? Noch nie gehört, noch nie gelesen, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass dieser männliche Autor keine Ahnung von Frauen hat und sie mit Samthandschuhen anfasst in der Angst, er könnte das weibliche Geschlecht abschrecken. Weißt du, was das weibliche Geschlecht abschreckt? Das hier:
»Der Krebs hatte für mich all das angenommen, wozu ich nicht imstande gewesen war.
Schick ihm Liebe und Licht, sagte Lisbeth.
Ich heulte Rotz und Wasser. Die Befreiung brach aus mir wie ein Sturm.«
Ja, schick dem Krebs deine Liebe und Voila, du bist geheilt. Oder ganz leckeres Licht. In Afrika ist so viel Licht und Sonne und Vitamin D. Warum herrscht dort eigentlich noch Hungersnot?
Abgesehen davon, die Protagonist heult plötzlich aus dem Nichts, nur weil sie so einen bescheuerten Vorschlag gehört hat. Wieso? Oder lautet das Argument hier: Frauen sind nun mal so und weinen einfach drauflos? Wo bleibt die Vorarbeit? Wo ist die Kraft, die sich zu diesem Zeitpunkt zusammenballt und dann so explodiert?
Und dann der Stil, der so schrecklich ist! Ich würde nicht behaupten, dass ein Kind gleich besser schreiben würde, nein, wahrscheinlich nicht. Aber der Stil bleibt schrecklich, die Vorarbeit ist schrott, die Figuren unglaubwürdig und die Idee zum Kotzen. Das ist kein stimmungsvoller Roman, sondern blanke Geldverschwendung!