Rezension zu "Tod eines Malers" von Thomas Worch
Neuruppin liegt natürlich nicht im Oderbruch, aber der frühere Journalist und Filmszenarist Thomas Worch erzählt in seinem im Oderbruch spielenden Roman von einem Fall, der an das Treiben der legendären XY-Bande in Neuruppin denken lässt. Kriminelle Unternehmer und bestechliche Kommunalangestellte bevölkern die gut 150 Seiten. Sie entstammen zumeist der alten DDR-Elite. Das Buch des Diplomatensohnes wäre als Bestandsaufnahme provinzieller Missstände in Nachwende-Zeiten jedoch nur unzureichend rubriziert.
"Tod eines Malers " ist zunächst ein gut geschriebener Kriminalroman, dessen Spannung sich aus den Lebens- und Todesumständen eines zum Landstreicher gewordenen Künstlers speist. Reinhardt Helvicke, ein zu DDR-Zeiten aufmüpfiger Maler, endet als Obdachloser in Wriezen. Er gestaltet mit allem, was ihm zur Verfügung steht und findet mit diesen Kunstwerken Eingang in die Stuben der guten wie der bösen Protagonisten. Als er tot aufgefunden wird, glaubt nur die aus Göttingen ins Oderbruch gezogene Rosa an einen Mord und engagiert einen Privatdetektiv. Dieser, ein entwurzelter früherer Stasi-Major mit freudloser Bleibe in Marzahn und immerhin einem Stetson auf dem Schädel, klärt nicht nur den Fall auf. Er lotet auch die Machtverhältnisse in Amtsstuben und Geschäftsstellen aus. Und vor allem lässt sich dieser Dittrich Adamsky faszinieren von einer zunächst verschlossenen Landschaft und ihren eigenwilligen Bewohnern. "Tod eines Malers " ist daher in erster Linie eine mit einer Spur Bitterkeit versehene Liebeserklärung an das Oderbruch. Das Buch vermittelt eine Ahnung, warum die Gegend nach der Uckermark zum beliebtesten Ziel von Berlin-Flüchtern und Sinnsuchenden wurde. Weil Adamskys Ermittlungen bis in die DDR zurückreichen, wird manch bunte Figur wie etwa ein höchst umtriebiger Galerist aus Leipzig vorgestellt. Es werden auch Fragen nach Aktiva und Passiva dieser Gesellschaft sowie den Gründen ihres Scheiterns aufgeworfen. Für Dittrich Adamsky ist die Sache einfach: "Hättet ihr so wie jetzt, damals in der DDR gearbeitet, wäre das System nicht wie ein Kartenhaus zusammengeklappt ", beschimpft er in Gedanken die Passanten bei seinen einsamen Spaziergängen. Und dann frohlockt er. "Die werden auch noch den Kapitalismus ruinieren." Thomas Worch ist ein Gaukler. In Gestalt des Privatdetektivs Adamsky gibt er Leuten eine Stimme, denen die heutige Öffentlichkeit nur Raum zubilligt, wenn sie etwas zu bekennen oder abzuschwören haben. Man kennt sie daher nur zerknirscht oder verstockt. Worch zeigt sie jenseits des medialen Suchscheinwerfers. Er beschreibt ihren gesellschaftlichen Absturz und auch die Zeichen, an denen sie die erkennen, die aus der gleichen Firma stammen, sich aber trotz des Systemwechsels an der Macht gehalten haben. So gesehen ist "Tod eines Malers " ein differenzierender Beitrag zum Thema Staatssicherheit. Das Oderbruch ist eine vielfältige Kulturlandschaft. Dies merkt man den besseren Büchern über diese Gegend deutlich an. "Tod eines Malers " gehört unbedingt in diese Kategorie.
Tom Mustroph, erschienen im ND, 22.10.2010