Rezension zu "Theophilus North oder Ein Heiliger wider Willen" von Thornton Wilder
„ … Menschen, die man als sensibel zu bezeichnen pflegt. Unter diesem Adjektiv verstand man einstmals die Fähigkeit, ästhetische und geistige Werte besonders intensiv wahrzunehmen, dann wurde es auf Personen übertragen, die leicht etwas übelnehmen, und heute ist es eine euphemistische Umschreibung für alle, die noch mit den geringsten Anforderungen des Alltags nicht fertig werden.“ Thornton Wilder ließ diesen Satz im Jahre 1973 vermutlich nicht ohne Grund in sein Alterswerk Theophilus North einfliessen, denn er kennzeichnet seinen "Helden" . Man merkt dem Buch an, dass die Erfahrungen eines langen Lebens darin enthalten sind, auch wenn der „Held“ der Geschichte erst 29 Jahre alt ist. Was ihm im Sommer 1926 in Newport, Rhode Island widerfährt, sind meist unspektakuläre Geschichten, in denen es darum geht, Ungerechtigkeiten auszuräumen, Beziehungen anzubahnen oder auch zu beenden, falls notwendig.
Das Besondere an diesem Buch ist die Stimmung, die es beim Leser erzeugt. Die schwankt zwischen guter Laune, manchmal Stirnrunzeln, gelegentlichem Kopfschütteln, meistens stillem Lächeln (neben ein paar echten Lachern), noch besserer Laune und am Ende einer leichten Traurigkeit darüber, dass das Buch zu Ende ist und man leider auf keine Fortsetzung mehr hoffen darf. Denn von Theophilus North hätte ich gerne noch mehr erfahren.
Nach gut 20 Jahren habe ich den Roman zum 2. Mal gelesen, und er ist nach wie vor - ganz objektiv 😊- das schönste Buch der Welt. Natürlich 5 Sterne dafür.