Ein altes Thema neu aufbereitet
von Traeumerin109
Rezension
„Wenn wir nicht lernen, so von Sünde zu reden, dass Menschen sich aufrichten statt sich wegzuducken, dann verfehlen wir dieses Thema.“
Thorsten Dietz ist genau das gelungen: so über Sünde zu reden, dass Menschen sich aufrichten statt sich wegzuducken. Das ist angesichts des geschichtlich sehr negativ konnotierten Begriffs eine beachtliche Leistung. Daher war auch ich in einem positiven Sinne sehr überrascht von dem Buch. Der Leser wird nicht angeklagt oder verurteilt, im Gegenteil: jegliche Verurteilung mit dem vorwurfsvollen Hintergrund der Sünde wird skeptisch betrachtet. Es handelt sich hierbei um ein äußerst sensibles Thema, da wohl viele Menschen durch engstirnige Deutungen und herabwürdigende Kommentare vorbelastet sind. In den meisten Gemeinschaften wird ein völlig anderer Begriff von Sünde vertreten als der, welchen ich hier kennenlernen durfte. Ein oft unreflektiertes und unerklärtes, aber ständig über mir schwebendes Unheil, dem ich ausgeliefert bin und das ich auch noch selbst verschuldet habe. Ganz im Gegensatz dazu steht dieses Buch, welches aus meiner Sicht sehr, sehr wichtig ist. Wie kann man es schaffen, über Sünde zu sprechen, ganz ohne ein schlechtes Gewissen? Über Sünde zu sprechen, und dabei Mut zu machen? Thorsten Dietz ist dies gelungen. Nicht nur, dass eine solche Haltung gegenüber der Sünde sehr viel gesünder ist, sie schafft auch eher die Bereitschaft, sich ernster damit auseinanderzusetzen, als alle Vorwürfe es je zuwege bringen würden. Mir haben sich viele neue Perspektiven eröffnet. Ich fühlte mich im wahrsten Sinne des Wortes wohl beim Lesen, und das nicht etwa, weil es sich hier um platte Wohlfühlseelsorge handelt, sondern weil der Autor mich als Leser feinfühlig an die Hand nimmt.
Bezogen auf viele aktuelle bekannte Bücher bzw. Filme führt er uns Konzepte vor Augen, die allgegenwärtig sind, aber nur zu sehr vertraut. Anschauliche Beispiele sorgen dafür, dass auch der theologisch nicht so versierte Leser gut folgen kann. Lasst euch von der Notwendigkeit überzeugen, althergebrachte Konzepte neu zu überdenken anstatt sich von einer neuen, anderen Zeit abzuwenden.
In seinem Buch geht der Autor ebenso selbstkritisch wie sensibel mit einem der prägendsten Themen in vielen religiösen Lebenserfahrungen um. Mein Fazit: Von dieser Art wünsche ich mir viel mehr Bücher. Ich kann das Buch nur weiterempfehlen, tatsächlich sowohl christlichen Lesern als auch solchen, die noch auf der Suche sind. Lasst euch dabei auf keinem Fall vom Titel abschrecken. Seht ihn als das Versprechen einer ernsthaften Auseinandersetzung mit einer antiquierten Vorstellung.