Rezension zu "Being John McEnroe" von Tim Adams
Die britische Yellow Presse nannte ihn nicht nur „Brat“, sondern „Superbrat“. Dass Schiedsrichter und Linienrichter bei einem Tennismatch beschimpft vom Court gingen, war Programm. Die meisten Menschen kennen die „Göre“ John McEnroe wegen seiner unangenehmen Wutausbrüche, dramatischen Schimpftiraden und als nie lächelndes, arrogantes, beleidigtes Großmaul. Aber im Hinterkopf weiß man, dass McEnroe ein Weltklassespieler war. In seinen erfolgreichen 80er Jahren konnte er sieben Grandslam-Titel für sich gewinnen und belegte vier aufeinanderfolgende Jahre die Weltrangspitze.
Der britische Sportenthusiast und Observer-Literaturchef Tim Adams hat mit seinem Essay „Being John McEnroe“ eine Pflichtlektüre für jeden Tennisbegeisterten geschrieben und für solche, die über den Tellerrand des Profitennis schauen wollen. Und vor allem für solche, die das Phänomen John McEnroe näher beleuchtet haben möchten - denn Tim Adams betrachtet das komplizierte Innenleben von McEnroe. McEnroe war zeitlebens ein schlechter Verlierer, aber ein energischer Kämpfer. Ihn trieb weniger der rauschende Erfolg als die Angst vor der schmerzenden Niederlage.
Tim Adams richtet sein Blickfeld auf die Glanzlichter in McEnroes Karriere (unvergessen: die beiden Wimbledonfinale 1980 und 1981 gegen Björn Borg, seinen kongenialen Gegner), ohne eine ordinäre Biographie abzuliefern. Daneben dokumentiert er entscheidende gesellschaftliche und sportgeschichtliche Veränderungen wie den sinkenden politischen und sozialen Einfluss der Upper Class in Großbritannien oder den steigenden Einfluss des Sponsorings im Tennis.
Zum Schluß der 140 seitenlangen Lektüre zieht man den Hut vor dem eigenartigen John McEnroe, dem begnadeten Tennisspieler und Egomanen vor dem Herrn – der sich selbst immer treu geblieben ist.