Cover des Buches Mord im Tiergarten (ISBN: 9783954511785)
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Rezension zu Mord im Tiergarten von Tim Pieper

"Odin ist mein Heil"

von Bellexr vor 10 Jahren

Kurzmeinung: Fazit: Fesselnder Krimi, der mit komplex angelegter, fundiert recherchierten Story u. ausgereiften Charakteren überzeugt.

Rezension

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Bellexrvor 10 Jahren
Sommer 1896 in Berlin: Im Zoologischen Garten wird ein jüdischer Zeitungsunternehmer tot aufgefunden, alles deutet auf einen Ritualmord hin. Schnell hat Commissarius Funke einen Verdächtigen ermittelt, doch bei dessen Vernehmung benötigt er die Hilfe des Kriminologen Dr. Otto Sanftleben. Nach der Befragung ist es jedoch offensichtlich, dass der junge Herero-Prinz aus Deutsch-Südwestafrika nicht der Täter sein kann. Somit geht die Suche nach dem Mörder weiter und dieser sieht seinen "Auftrag" noch lange nicht als erfüllt an. Während Otto sich privat auf eine anstehende Segelregatta vorbereitet, unterstützt er weiterhin Commissarius Funke bei dessen Ermittlungen und gerät dabei immer tiefer in einen Sumpf aus Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus.

Der Prolog führt einen sieben Jahre zurück in die Kolonie Neu-Germanien in Paraguay. Ein Anhänger des radikalen Antisemiten Bernhard Förster wird nach dessen Tod von Mitgliedern der Kolonie vertrieben und sinnt fortan auf Rache. Somit hat man zwar ab der ersten Seite an den Mörder bereits kennengelernt und verfolgt im Verlauf der Krimis dessen Handlungen und Gedanken, seine Identität gibt Tim Pieper jedoch noch nicht preis.

Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus sind die Hauptthemen im zweiten Fall des Kriminologen Dr. Otto Sanftleben. Tim Pieper gelingt es hervorragend, einem die zur damaligen Zeit herrschende Intoleranz gegenüber Juden und auch farbigen Mitmenschen überzeugend und äußerst interessant zu vermitteln. Das Denken der Menschen ist geprägt von jahrhundertealten Vorurteilen, welche sich nationalsozialistisch denkende Personen zunutze machen und hierdurch den Hass auf Juden unter der Bevölkerung immer mehr schüren. Germanenthum wie auch die arische Abstammung werden zunehmend bedeutender.

Ottos Leibdiener und Ziehsohn Moses muss den vorherrschenden Rassismus am eigenen Leib erfahren. Zwar ist der junge Mann aufgrund seiner dunklen Hautfarbe Ausgrenzungen gewohnt, doch die öffentliche Demütigung durch Professor von Trittin während einer Vorlesung an der Universität trifft ihn schwer und Otto ebenfalls. Wutentbrannt fordert der Kriminologe vom Professor eine Entschuldigung, dies endet mit der Teilnahme an einem Wettsegeln, welches Otto und Moses eigentlich nicht gewinnen können.

Auch im zweiten Fall von Dr. Otto Sanftleben legt Tim Pieper viel Wert darauf, einem das Leben in Berlin Ende des 19. Jahrhunderts näher zu bringen und so hat man schnell die kaiserliche Reichshauptstadt mit ihren Landauern, Gaslaternen, den eleganten Damen und den fein gekleideten Herrn vor Augen. Durch einen fundiert recherchierten Einblick in die politisch angespannte Lage des Kaiserreichs und der bildhaften, lebendigen und ab und an auch mit Wortwitz und Berliner Dialekt versehenen Erzählweise, die der damaligen Zeit angepasst ist, taucht man problemlos in die Geschichte ein und findet sich bald in einem äußerst spannenden und komplexen Kriminalfall wieder.

Kontinuierlich steigert der Autor die Spannung und nimmt sie nur gelegentlich etwas heraus, um einem am Privatleben von Otto teilhaben zu lassen, welches sich nicht minder interessant gestaltet. Die Story entwickelt sich äußerst komplex und obwohl man zwar über die Handlungen des Täters informiert ist und dessen Motiv früh kennt, liefert einem der Autor eine Vielzahl von Verdächtigen, die durchaus dem Charakter des Mörders entsprechen. So gestaltet sich der Historische Kriminalfall nicht nur fesselnd und im Laufe der Story immer packender, man rätselt zudem noch bis zum fulminanten Ende gebannt ob der Identität des Mörders mit.

Fazit: Ein fesselnder Krimi mit geschichtlichem Hintergrund, der mit einer komplex angelegten und fundiert recherchierten Story sowie Charakteren, die ausgefeilt und authentisch beschrieben sind, absolut überzeugt
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