Zitate aus dem Rezensionsbuch
a) S. 663 "»Einen Spionagedienst organisieren und leiten«
Während des Kalten Krieges wurde die CIA von der amerikanischen Linken für das, was sie tat, gescholten. Im Antiterrorkrieg wurde sie von der amerikanischen Rechten für das, was sie nicht zu tun vermochte, nicht minder gescholten. Leute wie Dick Cheney und Don Rumsfeld bezichtigten sie der Inkompetenz. Wie immer man über deren Politik denken mag, sie wussten aus langer Erfahrung, was dem Leser nunmehr klar geworden sein dürfte: Die CIA konnte ihrer Rolle als Nachrichtendienst Amerikas nicht gerecht werden.
Die fiktive CIA, wie sie in Romanen und Filmen erscheint, ist omnipotent. Den Mythos eines goldenen Zeitalters hatte die CIA selbst geschaffen, er war ein Produkt der Publicity und politischen Propganda, die Allen Dulles in den fünfziger Jahren fabrizierte. Diesem
Mythos zufolge war die CIA in der Lage, die Welt zu verbessern; er erklärt unter anderem, warum sie sich so sehr gegen Veränderungen
b) S. 660-3 "Die CIA unter Clinton und George W. Bush, 1993 bis 2007 - "Die Beerdigungszeremonie
»Eine unheilvolle Zunahme von Macht an der falschen Stelle«
Bob Gates übernahm am 18. Dezember 2006 die Führung des Pentagons. Er war der einzige Mitarbeiter der CIA, der jemals vom Analys¬
ten zum Direktor der CIA, und auch der einzige Direktor, der jemals Verteidigungsminister wurde. Zwei Wochen später trat John Negroponte, der neue Direktor des Nationalen Nachrichtendienstes, nach neunzehn Monaten Amtszeit zurück, um die Nummer zwei im Außenministerium zu werden. Er wurde durch einen pensionierten Admiral, Mike McConnell, ersetzt, der die Nationale Sicherheitsbehörde
während ihres ersten großen Zusammenbruchs zu Beginn des digitalen Zeitalters geleitet und in den vergangenen zehn Jahren bei Booz
Allen Hamilton als Heereslieferant Geld gescheffelt hatte.
Als Gates sich im Pentagon einrichtete, schaute er sich das amerikanische Nachrichtenwesen an und sah überall Sterne: Ein General leitete
die CIA, ein General war Staatssekretär für den Nachrichtendienst im Verteidigungsministerium, ein General war im Außenministerium Beauftragter für die Antiterrorismusprogramme, ein Lieutenant General war im Pentagon Stellvertretender Staatssekretär für den Nachrichtendienst, und ein Major General leitete die Spionage bei der CIA. Jeden dieser Posten hatten viele Jahre hindurch Zivilisten innegehabt. Gates blickte auf eine Welt, in der das Pentagon die CIA erdrückt und damit seinen sechzig Jahre zuvor geleisteten Schwur eingelöst hatte. Gates wollte das Militärgefängnis in Guantänamo Bay schließen, die unter Terrorismusverdacht stehenden Gefangenen von Kuba in die Vereinigten Staaten schaffen und sie entweder verurteilen lassen oder sie anwerben. Er wollte die Herrschaft des Verteidigungsministeriums über den Nachrichtendienst eindämmen. Er hätte hebend gern dem Bedeutungsverlust des Nachrichtendienstes im amerikanischen Regierungsapparat Einhalt geboten. Aber er war weitgehend machtlos.
Der Niedergang der CIA war Teil eines langsamen Verfallsprozesses,
der die nationale Sicherheit Amerikas in ihren Grundfesten erschütterte. Nach vier Jahren Irakkrieg war das Militär erschöpft, ausgeblutet, weil die Befehlshaber mehr in futuristische Waffen als in Soldaten investiert hatten. Nachdem es fünf Jahre lang eine auswärtige Politik
verteidigt hatte, die auf religiösem Erweckungsbewusstsein beruhte, hatte das Außenministerium die Orientierung verloren und war nicht mehr in der Lage, demokratische Werte überzeugend zu vertreten. Und nach sechs Jahren mutwilliger Ahnungslosigkeit, die von ignoranten Politikern verhängt wurde, war der Kongress nicht mehr im Stande, seine Kontrollfunktion über die CIA auszuüben. Der 9/11-Ausschuss hatte erklärt, dass unter all den Aufgaben, denen sich der Nachrichtendienst stellen müsse, die Stärkung der Kontrolle durch den Kongress die vermutlich schwierigste, zugleich aber die wichtigste sei. In den Jahren 2005 und 2006 reagierte der Kongress darauf so, dass er die jährliche Gesetzesvorlage für die CIA, die die rechtliche Grundlage für
deren Strategie und finanzielle Mittel bildet, nicht ratifizierte. Blockiert wurde sie von einem einzigen republikanischen Senator, der gegen die Vorlage stimmte, weil sie das Weiße Haus zu einem geheimen Bericht über die Geheimgefängnisse der CIA verpflichtete.
Weil sie ihrer Aufsichtspflicht nicht nachkamen, wurden die Ausschüsse des Kongresses für den Nachrichtendienst bedeutungslos. So
wenig Kontrolle über die CIA hatte der Kongress seit den sechziger Jahren nicht mehr gehabt. Jetzt gewannen ganz andere Mächte erheb¬
lichen Einfluss auf die Nachrichtendienste: amerikanische Firmen.
Am Ende der Ära Eisenhower, wenige Tage nachdem er im Blick auf die nachrichtendienstlichen Fehlschläge das traurige Erbe beklagt
hatte, das er seinen Nachfolgern hinterließ, sprach er in seiner Abschiedsrede an die Nation die berühmt gewordene Warnung aus:
»Wir müssen uns vor dem nicht vertretbaren Einfluss des militärischindustriellen Komplexes hüten, unabhängig davon, ob dieser Einfluss
angestrebt wurde oder sich einfach ergeben hat. Die Gefahr einer unheilvollen Zunahme von Macht an der falschen Stelle besteht und
wird weiter bestehen.« Wenig mehr als ein halbes Jahrhundert nach
dieser Rede sorgte das enorme Wachstum geheimer Finanzmittel für die nationale Sicherheit, zu dem es nach dem 11. September kam, für die Entstehung einer florierenden nachrichtendienstlichen Industrie. Privatwirtschaftliche Klone der CIA entwickelten sich rasch überall in den Vororten Washingtons und darüber hinaus. Die Vaterlandsliebe um des Profits willen wurde zu einem Geschäft, das, verschiedenen Schätzungen zufolge, fünfzig Milliarden Dollar jährlich umsetzte, eine Summe etwa so groß wie das offizielle Budget des amerikanischen Nachrichtendienstes selbst. Die Wurzeln dieses Phänomens reichen fünfzehn Jahre zurück. Nach dem Kalten Krieg hatte die Agency aufgrund der Einschnitte im Budget, die 1992 begannen, angefangen, Tausende von Jobs durch Werkverträge zu sichern, um die empfindlichen Lücken, die sich auftaten, zu füllen. So konnte es passieren, dass ein Mitarbeiter der CIA seinen Pensionsantrag einreichte
und sein blaues Dienstabzeichen zurückgab, danach für ein sehr viel höheres Gehalt bei einem Lieferanten für militärische Güter wie Lock¬
heed Martin oder Booz Allen Hamilton eine Stelle annahm und anderntags mit einem grünen Dienstabzeichen wieder bei der CIA erschien. Nach dem September 2001 geriet die Praxis des Outsourcing außer Kontrolle. Die Privatfirmen begannen, in der CIA-Cafeteria
offen Abwerbung zu betreiben.
Große Teile des Geheimdienstes wurden gänzlich von Zulieferern
abhängig, die scheinbar zum Komplex der CIA gehörten, tatsächlich
aber für Privatfirmen arbeiteten. In der Konsequenz hatte die CIA
zwei Belegschaften - wobei das Personal, das für die private Wirt¬
schaft arbeitete, sehr viel mehr verdiente. Ab 2006 waren ungefähr die
Hälfte der Mitarbeiter des Bagdader Büros Angestellte von Pirmen,
und Lockheed Martin, der größte amerikanische Konzern für militäri¬
sche Güter, brachte Anzeigen, in denen »Antiterror-Analysten« für die
Verhöre von mutmaßlichen Terroristen im Gefängnis von Guantä-
namo gesucht wurden.
In der Nachrichtenbeschaffungsindustrie, konnte man reich werden.
Das Geld war ein mächtiger Magnet, und das Ergebnis bestand in ei¬
nem beschleunigten Schwund an Lachkräften in der CIA - was die Or¬
ganisation am wenigsten brauchen konnte - und in der Gründung von
Pirmen wie »Total Intelligence Solutions«. Total Intel, die 2007 ins Le¬
ben gerufen worden war, wurde von Cofer Black geleitet, der nach dem
11. September zum Direktor des Antiterrorismuszentrums ernannt
worden war. Black zur Seite standen Robert Richer, ehemals der zweit¬
wichtigste Mann beim Geheimdienst, und Enrique Prado, sein Leiter
für Antiterroroperationen. Alle drei hatten sich 2005 aus dem Antiter¬
rorkrieg der Regierung Bush ausgeklinkt, um sich der amerikanischen
Pirma Blackwater anzuschließen, der mit der Politik verhandelten pri¬
vaten Sicherheitsfirma, die unter anderem den Wach- und Sicherheits¬
dienst für die Amerikaner in Bagdad stellte. Sie lernten bei Blackwater
die Tricks, wie man Staatsaufträge ergattert, und gut ein Jahr später lei¬
teten Black und Kompagnons Total Intel. Sie zählten zu den qualifiziertesten Mitarbeitern der CIA. Doch dass mitten im Krieg Leute die
Fahne wechselten, um abzusahnen, war in Washington zu Beginn des
21. Jahrhunderts kein ungewöhnliches Schauspiel. Ganze Heerscharen
von CIA-Veteranen verließen ihre Posten, um als Freischaffende ihre
Dienste der Agency zu verkaufen, Analysen anzufertigen, Tarnungen
für Mitarbeiter im Ausland zu fabrizieren, Kommunikationsnetzwerke
aufzuziehen und verdeckte Operationen zu leiten. Ihrem Beispiel fol¬
gend, erstellten sich neue CIA-Angestellte ihren eigenen Fünfjah¬
resplan: reingehen, rausgehen und kassieren. Für eine neue Art von
Banditen in den Sicherheitsfirmen, die sich im Umkreis Washingtons
etablierten, erwiesen sich ein Top-Secret-Ausweis und das grüne
Dienstabzeichen als Goldgrube. Das Auslagern nachrichtendienst¬
licher Aktivitäten in Privatfirmen war ein deutliches Zeichen dafür,
dass die CIA nach dem 11. September viele ihre grundlegenden Auf¬
gaben nicht mehr allein bewältigen konnte.
Und der Armee dabei zu helfen, mit der vorgehaltenen Waffe im
Irak die Demokratie einzuführen, vermochte sie auch nicht. Dass blin¬
des Handeln gefährlich ist, mussten die Amerikaner leidvoll erfahren."
c) S.21-23 "Während des Vietnamkrieges vertrat sie, ganz wie die amerikanische Öffentlichkeit, auf eigenes Risiko einen anderen Standpunkt als die Regierung. Und ganz wie die amerikanische Presse musste sie entdecken, dass ihre Berichte abgelehnt wurden, wenn sie nicht zur vorgefassten Meinung des Präsidenten passten. Präsidenten wie Johnson, Nixon, Ford und Carter haben die CIA abgekanzelt und verachtet. Keiner von ihnen begriff, wie sie eigentlich funktionierte. Alle übernahmen ihr Amt, so schreibt Richard J. Kerr, ehemaliger stellvertretender CIA-
Direktor, »in zweierlei Erwartung: entweder dass Auslandsaufklärung jedes Problem lösen müsste oder dass sie überhaupt nichts ausrichten
könnte. Und irgendwann wechselten sie zur entgegengesetzten Sichtweise über. Dann fanden sie sich mit der Situation ab und schwankten
zwischen den Extremen hin und her.«
Um als Institution in Washington überleben zu können, musste die Agency vor allem Gehör beim Präsidenten finden. Aber schon bald
stellte sich heraus, dass es gefährlich war, ihm zu sagen, was er nicht hören wollte. Die CIA-Analysten lernten, sich eng an die gängigen Denkschablonen zu halten. Sie missdeuteten Absichten und Potenzial unserer Feinde, verschätzten sich hinsichtlich der Stärke des Kommunismus und fällten Fehlurteile, als es um die Bedrohung durch den Terrorismus ging.
Zu Zeiten des Kalten Krieges verfolgte die CIA vor allem das Ziel, durch Anwerbung von Spionen die Geheimnisse der Sowjets in ihren Be¬
sitz zu bringen, aber nicht ein Einziger unter den Angeworbenen hatte wirklichen Einblick in die Arbeit des Kremls. An zehn Fingern ließen sich die sowjetischen Spione abzählen, die entscheidende Informationen weitergeben konnten - und allesamt waren sie nicht angeworben, sondern Freiwillige. Alle kamen ums Leben, alle wurden von der Moskauer Führung festgenommen und hingerichtet. Unter den Präsidenten Reagan und George H. W. Bush wurden sie fast ausnahmslos verraten, und zwar von Leuten, die in der Sowjet-Abteilung der CIA zugleich für die andere Seite arbeiteten. In Reagans Amtszeit ließ sich die Agency auf verfehlte Missionen in der Dritten Welt ein; zur Linanzierung eines Krieges in Mittelamerika verkaufte sie Waffen an die iranischen Revolutionsgarden, wobei sie gegen die Gesetze verstieß und das letzte Vertrauen verspielte, das man noch in sie setzte. Und was viel schlimmer war: Sie bekam nicht mit, dass ihr Hauptfeind dem Ende nahe war.
Den Blick auf die andere Seite überließ man Maschinen - nicht Menschen. Je mehr sich der Horizont der Spionagetechnologie ausweitete, umso kurzsichtiger wurde die CIA. Mit Hilfe der Spionagesatelliten konnte man die Waffen der Sowjets zählen. Aber die ent¬
scheidende Nachricht, dass der Kommunismus dabei war zu bröckeln,
lieferten sie nicht. Selbst die führenden CIA-Experten sahen den Feind
erst vor sich, nachdem der Kalte Krieg vorüber war. Als der Nachrichtendienst für Milliarden von Dollars Waffen nach Afghanistan
schleuste, um den Kampf gegen die Besatzungstruppen der Roten Armee zu unterstützen, mussten die Sowjets einen hohen Blutzoll zah¬
len. Das war ein gigantischer Erfolg. Aber zu spät erkannte er, dass sich die von ihm unterstützten islamischen Kämpfer schon bald gegen die Vereinigten Staaten selbst wenden würden, und als diese Einsicht sich regte, versäumte es die Agency zu handeln. Das war ein ge¬
waltiger Misserfolg. In den neunziger Jahren, unter Präsident Clinton, brach die einheitliche Zielsetzung, die die CIA während des Kalten Krieges zusammengehalten hatte, auseinander. Noch immer verfügte sie über Leute, die
sich ernsthaft bemühten, die Welt zu begreifen, aber ihre Reihen waren viel zu sehr gelichtet. Noch immer gab es fähige Mitarbeiter, die
sich im Auslandsdienst für die Vereinigten Staaten einsetzten, aber
ihre Zahl war viel zu klein. Das FBI hatte mehr Agenten in New York
als die CIA im ganzen Ausland. Am Ende des letzten Jahrhunderts war
die Agency kein voll funktionsfähiger und unabhängiger Nachrichtendienst mehr. Sie wurde zu einer nachgeordneten Außenstelle des
Pentagons, die nicht etwa über Strategien für den kommenden Kampf,
sondern nur über Taktiken für nie stattfindende Gefechte nachdachte.
Sie war außer Stande, das zweite Pearl Harbor zu verhindern.
Nach den Anschlägen auf New York und Washington schickte die
CIA ein erfahrenes Geheimagenten-Team nach Afghanistan und Pakistan mit dem Auftrag, die Anführer der Al Qaida zur Strecke zu
bringen. Dann verstieß sie gegen ihren Auftrag, eine zuverlässige
Quelle nachrichtendienstlicher Erkenntnisse zu sein: Sie übergab dem
Weißen Haus falsche Berichte über angeblich vorhandene Massenvernichtungswaffen im Irak. Die Tonne an Berichterstattung, die sie lie¬
ferte, besaß einen Informationswert von wenigen Gramm. Andererseits hat George W. Bush mit Unterstützung seiner Administration die
von Vater Bush noch selbstbewusst geleitete CIA völlig zweckentfremdet, als er aus ihr im Auslandsdienst eine paramilitärische Polizei-
truppe und in der Zentrale einen paralysierten Verwaltungsapparat
machte. Nebenbei fällte er 2004 ein politisches Todesurteil über die
Agency: Der Verlauf des Irakkrieges, so Bush damals, sei für sie ein
bloßes »Ratespiel«. Keiner der bisherigen Präsidenten hat die CIA jemals in dieser Weise öffentlich abgekanzelt.
Als 2005 das Amt des Director of Central Intelligence (DCI) - der
nicht nur, wie der übliche Kurztitel CIA-Direktor suggeriert, Chef der
Agency, sondern Chef aller US-Nachrichtendienste war - aufgelöst
wurde, verlor die CIA ihre zentrale Stellung in der amerikanischen Regierung. Wenn sie heute überleben soll, muss sie neu aufgebaut wer¬
den. Das wird Jahre in Anspruch nehmen. Die Aufgabe, die Welt zu
begreifen, wie sie ist, hat drei Generationen von CIA-Beamten überfordert. Von der neuen Generation haben nur wenige die komplizier¬
ten Verhältnisse in fremden Regionen durchschaut - und schon gar
nicht die politischen Verhältnisse in Washington.