Rezension zu "Sexualität der Vorzeit. Zur Evolution von Geschlecht und Kultur" von Timothy Taylor
annluAusgehend von Gerüchten rund um Ötzi führt Timothy Taylor in seinem Buch von den Anfängen der Menschheit, der Evolution mit ihrer sexuellen Selektion zur Sexualtät der Urgeschichte. Die archäologischen Befunde werden dazu genutzt, über die Sexualität, die Rolle der Geschlechter aber auch Machtstrukturen und kulturelle Entwicklungen aufzuzeigen – immer darauf bedacht, die Sexualität als einen Teil des Ganzen zu sehen.
Da ich erwartet hatte, gleich schon mit Fundstücken und ihren Interpretation konfrontiert zu werden, war ich davon überrascht, erst einmal ein Eingehen auf die menschliche Evolution vorzufinden. Diese Einführung betrachtet viele biologische Aspekte, geht auf die Entwicklung der Haarlosigkeit genauso ein, wie auf die Tatsache, dass der aufrechte Gang den Körper und die Geschlechtsmerkmale verändert.
Erst in den nachfolgenden Kapiteln wird auf Funde aus der Archäologie eingegangen. Dies sind für die Frühzeit besonders Skelettfunde, erst später kann die Kunst aber auch erhalten gebliebene Grablagen einen Einblick in die Sexualität und die Rolle der Geschlechter geben. Der Autor unterscheidet dabei das biologische und das „Kopfgeschlecht“ bzw. das kulturelle Geschlecht. Unterschiede zwischen Mann und Frau nehmen einen Teil der Ausführungen ein. Nicht nur dabei spricht der Autor Warnungen vor Interpretation aus, die unsere Ansichten auf Altes legen. So gibt er zwar seine Ansichten und Interpretation wieder, zeigt aber immer auf, wann es sich dabei um Annahmen handelt. Er geht auch auf einige Interpretationen und Theorien von anderen Forschern und Autoren ein und beleuchtet diese kritisch.
Während des ganzen Buches zeigt der Autor eine große Toleranz in Bezug auf die Vielfalt der Sexualität, unterscheidet immer wieder das biologische Geschlecht vom individuell gelebten Geschlecht. Besonders zugesagt hat mir die Tatsache, dass auch Tabuthemen (wie Hermaphroditen), angesprochen werden.
Fazit: Das Buch gibt Einblicke in sehr viel mehr, als nur die gelebte Sexualität der Urzeit. Diese ist zu sehr verwoben mit der Evolution, der Kultur, den Machtverhältnissen und der Rollenverteilung der Geschlechter, als dass sie isoliert betrachtet werden könnte. Mit der Darstellung von Fundmaterialien, die oft auch aus moralischen Gründen anders interpretiert oder unterschlagen worden sind, gibt es ein Bild der Entwicklung in der Sexualität, das mein Interesse geweckt hat.