Tina Brenneisen nimmt uns in dieser Graphic Novel mit hinein in den Verlust ihres totgeborenen Kindes und die schwierige Zeit, die darauf für sie und ihren Partner folgt. Dabei gelingt es ihr, den Leser schonungslos und offen mit dem Leid zu konfrontieren, dem sie sich stellen muss: ihren eigenen Schuldgefühle, ihren schwierigen Gefühle ihrem Körper gegenüber, aber auch den Reaktionen ihrer Mitmenschen und den zerbrechenden Beziehungen.
Sie zeigt auf, wie es ihr gelingt, nach diesem unfassbar grausamen, das ihr passiert ist, weiterzuleben. Wie sie lernt, damit umzugehen, auch wenn sie immer wieder durch Schuldgefühle und den Schmerz des Verlusts heimgesucht wird. Sie macht deutlich, wie sehr man durch so ein Ereignis verändert wird, und wie auch das Umfeld auf diese Veränderungen reagiert, oder Beziehungen daran zerbrechen.
Auch wenn ich selbst keine Totgeburt erlebt habe, konnte ich mich sehr gut in die Protagonistin Tini hineinversetzen. Man wird quasi in ihre Gedankenwelt und Verzweiflung hineingesogen, sieht die Welt durch ihre Brille (oder ihre Feder). Verstörend wirkte so auf mich auch das Verhältnis zu ihren Eltern. Sie reagieren sehr befremdlich auf die Situation, sind nicht in der Lage, Empathie zu zeigen. Tini muss dadurch ihre Beziehung zu ihren Eltern aufarbeiten und in Rückblenden erfährt man von prägenden Erinnerungen, vor allem des Nicht-Verstehens der Eltern in ihrer Jugend, ihrem ständigen Gefühl, nicht nur anders, sondern irgendwie "falsch" zu sein, wie ein "schwuler Junge". Es wird aufgezeigt, dass in solchen Grenzsituationen Beziehungen zerbrechen (müssen), die vorher bereits schwierig waren, aber durch die Schärfe der Situation unterträglich geworden sind.
Dabei gefällt mir der graphische Erzählstil, den Tina Brenneisen gewählt hat, sehr gut. Ihre Bilder sind oft sehr drastisch und erzählen mehr als viele Worte es könnten. Gerade an den Stellen, wo Worte zu versagen scheinen.
Ich kann dieses Buch sehr empfehlen, insbesondere für Betroffene, die sich in vielem sehr gut wiederfinden werden. Aber auch besonders für die Nahestehenden von Betroffenen, die dadurch vielleicht manche Fettnäpfchen vermeiden können und eine Vorstellung von dem Leid erahnen können, die andere in so einer Situation durchleben.
Die Lektüre hat mich ziemlich erschlagen zurückgelassen. Obwohl es auch teilweise witzige oder nette Momente gibt, von denen erzählt wird, überwiegen die leidvollen und depressiven Stimmungen verständlicherweise. Auch gibt es, was dem Thema geschuldet ist, kein erlösendes Happy End, was auch gut ist. Das sollte einem klar sein, wenn man dieses Buch liest. Aber es macht auch deutlich: Das Leben geht weiter. Es wird nie wieder sein wie früher, aber es geht weiter, und die schönen Momente werden auch wieder zurückkommen