Tina S

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Cover des Buches Inmitten vom Nirgendwo (ISBN: 9783938297230)

Inmitten vom Nirgendwo

 (2)
Erschienen am 10.09.2005

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Cover des Buches Inmitten vom Nirgendwo (ISBN: 9783938297230)

Rezension zu "Inmitten vom Nirgendwo" von Tina S

Rezension zu "Inmitten vom Nirgendwo" von Tina S
Ein LovelyBooks-Nutzervor 13 Jahren

Tina S. ist heute 26 Jahre alt. Sie ist Studentin (Lehramt Gymnasium: Anglistik, Sport, Deutsch als Fremdsprache). 2004 hat sie den gemeinnützigen Verein GRENZPOSTen e.V. gegründet. Hauptziel ist, über psychische Erkrankungen, speziell über die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS), zu informieren und aufzuklären. Vier Mal im Jahr erscheint eine Selbsthilfe-Zeitung ("GRENZPOSTen"), die inzwischen weltweit Beachtung findet.

Tina S. hat also alle Hände voll zu tun. Sie empfindet Kreativität als Hobby und liebt es, sich zu engagieren. Sie hat viele Aufgaben und große Ziele - das Leben also im Griff. Die Segel stehen voll im Wind, und somit geht es voran. Alles klar an Deck - das Leben ist schön ...

... wenn da nicht die Vergangenheit wäre! Und genau über diese erzählt sie uns in ihrem 2005 erschienenen Buch "Inmitten vom Nirgendwo". Ein außerordentlich mutiges Buch, erschienen in einem ebenso mutigen Verlag, dem HolzheimerVerlag in Hamburg.

Wir dürfen uns auf eine Reise begeben, dürfen zuhören, dürfen weinen (und sogar lachen), uns ärgern, wundern, staunen, erschrecken, fast verzeifeln ... und versuchen zu verstehen.

"Es ist ein trüber, grauer Tag im November. 2 °C. Der Wind fegt um die Ecken. Mal wieder absolutes Wohlfühlwetter. Dies sind die schlimmsten Tage im ganzen Jahr ... " - so die ersten Zeilen des Buches. Und schon ist sie da, die Gänsehaut! Wir befinden uns plötzlich mitten im Leben eines Menschen, den wir gar nicht kennen. Verlegen schauen wir uns etwas um, denn schließlich hat uns das Buch ja dazu eingeladen. Doch diese Welt ist so furchtbar kalt und wir spüren sofort, dass hier keine fiktive Romanfigur in einer Phantasiehandlung agiert, sondern dass hier alles real ist! Die Autorin weiß, dass sie in acht Monaten sterben wird. Eine Krankheit aber wird ihrem Leben kein Ende setzen, sondern sie selbst ... !

In ihrem Buch schildert uns Tina S., wie es soweit kommen konnte. Geschönt wird nichts, denn dieser Lebensabschnitt duldete nichts als "graue Schwärze". Aus dem Mutterleib ungefragt in die kalte Welt hinausgeworfen, begann die Fahrt in ein Chaos der Gefühle ...

Freunde und Strukturen zerbarsten nach einem Umzug aufs Land. Von den Eltern vernachlässigt, wird sie magersüchtig. Erste Therapie-Gastspiele beginnen. Eine wahre Tournee durch den klinischen Therapie-Zirkus, wie sich später herausstellen sollte.
Mehrere Vergewaltigungen durch den Freund und einen Unbekannten, die Alkoholabhängigkeit und schließlich den Selbstmord des Vaters schildert die Autorin in einfachen, aber sehr eindringlichen Worten. Während des ersten stationären Klinikaufenthaltes wird eine schwere Persönlichkeitsstörung diagnostiziert: Borderline. Weitere Diagnosen: Anorexia nervosa (Magersucht) und eine Posttraumatische Belastungsstörung.

Therapien bringen jedoch nichts, da Tina diese ablehnt und vollkommen "dicht" macht. Sie ist der Albtraum eines jeden Therapeuten. Nach Selbstmordversuchen wird sie in die Psychiatrie eingewiesen, wobei sich dieses Spielchen mehrmals wiederholt. Erfolge gibt es keine - alles wird noch viel schlimmer und sie beginnt mit Selbstverletzungen, die dramatische Formen annehmen. Alles scheint aussichtslos zu sein ...

Die Autorin nimmt kein Blatt vor den Mund und beeindruckt den Leser zutieftst, indem sie in einer ausgeprägten Offenheit das Drama ihres Lebens schildert. Sie ist sich nicht zu schade, sehr dramatische Situationen nicht nur zu erzählen, sondern zu hinterfragen und in einigen Fällen sogar mit (schwarzem) Humor zu transportieren. Die Schilderung von zwei Selbstmordversuchen (in einer Klinik!) mögen dies verdeutlichen:

Die Deckenplatten in einem Badezimmer ließen sich anheben. Ein Gürtel, an den Metallstreben befestigt, sollte ihr Leben beenden. Dieser hielt aber die von ihm erwarteten Belastungen nicht aus und ging kaputt. Tinas Reaktion: "Mist, selbst zum Sterben bin ich zu blöd." Diese sicherlich unfreiwillige "Komik" weiß die Autorin aber noch zu steigern, denn beim nächsten Versuch wurde zwar ein besserer Gürtel verwendet, was aber zur Folge hatte, dass diesmal die gesamte Deckenkonstruktion mit runterkrachte ...

Neun Jahre "Hungern und Fressen", sechs Jahre Selbstverletzungen, Todessehnsucht, massive Probleme mit den Eltern (meine Mutter ist das "personifizierte Böse") und fast dem gesamten sozialen Umfeld, lassen den Weg in die Katastrophe als unausweichlich erscheinen. Dennoch hat es Tina S. geschafft. Entscheidende Impulse gab ihr wohl eine Therapeutin, aber auch deren Therapie brach sie ab. Eigensinnig war Tina S. schon immer. Gut möglich, dass ihr genau diese Eigenschaft das Leben rettete! Wer wissen möchte, wie sie ihre innere Mitte - die Mitte vom Nirgendwo - fand, sollte sich "Inmitten vom Nirgendwo" nicht entgehen lassen.

Die 200seitige Lebensgeschichte, die zum Teil aus Tagebuchaufzeichnungen besteht, wird durch einen sehr aufwendigen und umfangreichen Anhang (80 Seiten!) ergänzt. Es finden sich Zeichnungen der Autorin, ein Entlassungsbericht, Internetadressen, "Wissenswertes" über die Borderline-Persönlichkeitsstörung und deren Begleitsymptomatiken, sowie eigene Gedichte. Eines möchte ich abschließend zitieren, da dieses den Lösungsweg eindrucksvoll abzeichnet:

Zum Leben finden

Getrieben vom Strom des Lebens
bin ich gestrandet
und wieder fortgespült worden.

Ging fast unter
in den meterhohen Wellen
angeschwemmt auf einer einsamen Insel,
und schrie,
doch niemand hörte mich.

Blickte dem Tod ins Gesicht.
bevor ich mich auf meine
letzte Reise begab -
hinein in das Leben.

Das Leben hat es mit der Autorin nicht gut gemeint. Könnte man meinen. Tina S. sieht und lebt aber nach vorne und nicht zurück. Das ist das ganze Geheimnis ... "Wenn du das Leben liebst, dann liebt es dich auch!"

Fazit: Rettungsanker für Grenzgänger. Eines der wichtigsten Bücher überhaupt!

© Thomas Lawall - www.querblatt.com

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