Cover des Buches Venus (ISBN: 9783038481263)
Arbutuss avatar
Rezension zu Venus von Tina Weiss

Eine Frau auf der Suche nach Liebe

von Arbutus vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Ein sehr ehrliches, manchmal langatmiges Buch über eine geglückte Umwandlung

Rezension

Arbutuss avatar
Arbutusvor 7 Jahren
Die Schweizerin Tina Weiss war Stylistin, Produzentin, Trendscout, Playboy-Redakteurin, kreierte das Label "World of Venus", veranstaltete Partys, auf denen sie vor allem sich selbst feiern ließ, war eine angesagte Größe in der Modewelt, experimentierte mit Drogen, hetzte von einer Liebesbeziehung in die Nächste, spielte mit den jungen Männern, die sie wechselte wie die Sommermode. Dass ihr extremes Hype-Leben nur eine Flucht vor sich selbst darstellte, begreift sie erst nach vielen Jahren. Ein Burnout bringt sie dazu, ganz neue Wege zu gehen; sie lebt eine Zeit lang als Hippie im Zelt am Ufer der Aare, nimmt an einem Schwitzhüttenritual teil, reist auf der Suche nach Erleuchtung nach Indien - und findet Jesus. Und dann wird alles anders ...

Es ist die Geschichte einer Umwandlung.

Der Stil ist manchmal recht schlicht, und nicht immer zeugen die Berichtfetzen aus Kindheit und Jugend von einem großen inneren Zusammenhang. Aber andererseits ist es auch diese gewisse Unbeholfenheit der Newcomerin mit dem Medium Buch, die es authentisch macht. Hier schreibt jemand ganz ehrlich sein Leben auf. Kleine Stückchen schmucklose Lyrik zeigen schonungslos den ganzen Wahnsinn der Teenagerjahre auf, auch das gefällt mir gut. Auf Dauer liest man aber schon ein bisschen genervt von den gesammelten Anektdötchen der Eskapadenprinzessin. Muss sie uns wirklich mit in ihre geschmacklosesten Abenteuer hineinnehmen? Und auch stilistisch muss man manchmal ein Auge zudrücken. Dabei kann sie eigentlich schreiben. Gut finde ich, dass sich die Autorin so ehrlich ihrer damaligen abgrundtiefen Charakterschwäche stellt und alles entblößend berichtet. Man bekommt einen sehr echten und schockierenden Einblick in das verkorkste Seelenleben einer orientierungslosen jungen Frau. Aber obwohl die Beschreibungen allgemein kurz gehalten sind, verzettelt sich die Autorin zu viel in der Auflistung unerheblicher Episoden. Das ermüdet auf Dauer. Hier wäre Straffung hilfreich gewesen. Zudem beherrscht sie nicht sauber das Hantieren mit den verschiedenen Zeitebenen. Dadurch muss man manches mehrfach lesen, um nachzuvollziehen, in welchem Kontext eine Episode gerade stattfindet.
Aber immer wenn es philosophisch wird, wird es auf einmal richtig gut. Der Text "Was wäre, wenn ..." ist zwar aus einem sehr begrenzten Blickwinkel, aber dennoch wirklich gut geschrieben. Interessant ist es dann, wie sie zu einem späteren Zeitpunkt ihre eigenen Schreibergüsse kommentiert und widerlegt. Das macht auch wieder eine Qualität des Buches aus. Aber ein guter Lektor hätte ihr ein Drittel der ersten 200 Seiten weggekürzt. Ein radikaler die Hälfte, und auch so wäre noch eine Menge unnötiger Ramsch übriggeblieben.

Die zweite Hälfte des Buches liest sich viel müheloser. Bei ihren neuen christlichen Freunden in Indien gewinnt sie überraschende Einsichten und erlebt am eigenen Leib, dass das Christentum nicht nur deshalb für Indien so ein großer Segen ist, weil es das Kastenwesen aufhebt.

Es stehen sehr viele scharfsinnige Lebensweisheiten im hinteren Teil des Buches, und es lohnt sich wirklich, bis dorthin vorzudringen. Auch wenn ich aus einigen schon genannten Gründen nicht mehr als drei Sterne vergeben möchte, empfinde ich Respekt und große Sympathie für diese Frau, die die Chance, die Gott ihr gegeben hat, so konsequent ergriffen hat. Deswegen möchte ich eine ausdrückliche Leseempfehlung aussprechen. Wer auf der Suche ist, könnte hier fündig werden. Allerdings muss er sich ein wenig mühsam durch die erste Buchhälfte arbeiten. Aber es lohnt sich!

Vielleicht spoilere ich, aber ich muss zum Abschluss einfach dieses Zitat bringen, denn es illustriert für mich, warum dieses Buch, das ich nicht immer mit anhaltender Begeisterung gelesen habe, mich am Ende dennoch überzeugt hat:

"In meinen Gedichten hatte ich immer zum Ausdruck gebracht, dass ich der Liebe wegen sterbe - und wie schmerzhaft die Liebe doch ist. Höchst dramatisch! Doch das ist völliger Schwachsinn. Gott ist gut. Gott ist Liebe. Und Liebe ist wunderbar, heilig und völlig rein. Die Schmerzen entstehen aus der Unfähigkeit, diese Liebe anzunehmen und weiterzugeben."
Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks