Rezension zu "Rasse in der Ära der Genetik" von Tino Plümecke
"... immer wieder die gleiche Frage nach der Essenz von Rasse zu stellen." Damit hat Tino Plümecke Recht. Um dieses Aufhören voranzutreiben, entscheidet sich der Autor auch das sonst gerne versteckt und verschämt mitgedachte Wort "Rasse" ganz klar und ohne Anführungszeichen zu verwenden; ich selbst bin da noch nicht soweit und finde seine Erläuterungen dazu auch nicht so überzeugend.
Was ich an dem Buch sehr überzeugend finde und was mehr als überfällig ist, zumindest in Deutschland, ist sich der Re-Biologisierung bzw. Genitisierung des Sozialen zu stellen. Es ist eine Art Mythos, dass das Wort "Rasse" in Deutschland geächtet ist. Rassismus zu thematisieren, das ist geächtet, von der Vermeidung der Kategorie "Rasse" kann keine Rede sein, so scheint mir das zumindest subjektiv. Noch viel häufiger kommen mir Biologie & "race" in der US-amerikanischen Popkultur unter, , insbesondere in Fernsehserien. Sei es "Bones" (die Super-IQ Anthropologin kann natürlich an Knochen die Herkunft feststellen, auch nach 1000 Jahren Verwesung noch, oder bei "Dexter", hier aber ganz sympathisch gewendet, in etwa so: "es gibt Erlebnisse, die verändern sogar die DNA eines Menschen". Das Buch ist also überfällig hinsichtlich der scheinbar allgegenwärtigen hard-scientific facts Genetik vs. weak-non-scientific-quasseln ist kein Fakt Sozialwissenschaften. Erhellend fand ich v.a. die Kapitel, die tatsächlich die Biologie thematisieren und zumindest im Ansatz erklären woran sich die Differenzforschung in den Jahrhunderten so langgehangelt hat um doch schlicht und ergreifend auch gar nicht feststellen zu können das es so etwas wie "Rasse" gäbe, obwohl die Naturwissenschaften doch die mit den angeblich unumstößlichen Fakten sind. Kurz: ein gutes, erhellendes Buch zum Thema Rassismus.
Allerdings habe ich auch Kritik: Ich finde es sehr schade, dass der Autor kaum die Reichweite seiner Theorie thematisiert. Er bewegt sich scheinbar zwischen dem englisch- und deutschsprachigen Raum hin- und her, doch bestehen doch gerade zwischen den USA und Deutschland erhebliche Unterschiede was den Umgang mit "Rasse" bzw. "race" angeht. Das blendet er völlig aus. Was er auch komplett ignoriert, sind Critical Whiteness Ansätze, die ich an einigen Stellen gerne thematisiert gehabt hätte. Er konzentriert sich auch ziemlich auf die Frage des "warum" von Rassismus und weniger auf das "wie". Beim "wie" wäre vielleicht auch die Frage nach dem Bedürfnis von Differenz oder Differenzierung vom weißen Mainstream nicht so kurz abgehandelt worden.