Ich habe das Buch angefordert, weil es um eine queere Figur geht und weil der Teaser sehr flott geschrieben war. Letztlich hatte ich das Gefühl, dass ich ein Buch mit ähnlicher Atmosphäre bereits vor 10 und 20 Jahren gelesen habe.
Worum geht es?
Nicht um Sex. Sondern um Sofie, die sich von ihren Mitmenschen ständig unverstanden fühlt, deren Beziehungen nie lange halten und die einem, obwohl sie so viel über sich erzählt, nie wirklich nahe kommt.
Meine Meinung
Ich habe mich im Buch oft gefragt, wann es vorbei ist. Ich war das ständige "Wisst ihr ..." und die Bemerkung, dass Jungs "Dullies" sind, SO leid. Das Selbstmitleid. Die Kritik an anderen. Die Oberflächlichkeit. Dass die Chronologie stellenweise durcheinander ist, bemerkt die Figur selbst, hat mich aber nicht gestört. Sofie ist von allem genervt, kommt mit keinem klar. Sie wirkt total abgeklärt, ist aber ziemlich sensibel. Manchmal mochte ich diese rotzige Art, aber oft nervte sie mich.
Natürlich kann man vermuten, dass sich die Figur aufgrund ihrer Transidentität nirgendwo zugehörig fühlt. Das Thema "trans" klingt nur an wenigen Stellen an. Wenn Sofie sagt, dass sie lieber aktiv ist und es z.B. nicht mag, wenn man ihre Brüste anfasst.
Prägend war für mich die Bemerkung, sie möchte ein bisschen mehr Junge sein - das zeigte mir, dass auch Geschlechter ein Spektrum sind und dass man als Frau männliche Attribute haben kann, ohne sich als "Mann" zu bezeichnen. Ich fand das sehr wichtig.
Interessant war auch, wie die Figur ihre Angststörung beschriebt - ich denke, dass sich damit einige Leser:innen identifizieren können.
Wie es die Figur schafft, einen Buchvertrag zu bekommen, weiß ich nicht.
Berührend wird es am Ende, als es um den Tod der Mutter geht.
Und trotzdem gibt es Sätze, die ich mir an eine Pinnwand heften möchte.
Fazit
Tobi Lakmakker hat mit ihrem/seinem Text das Rad nicht neu erfunden. Für Menschen Anfang 20, die sich suchen und das Gefühl haben, überall anzustoßen, kann das Buch erlösend sein. Für mich war's zu viel Geschrei und zu wenig Inhalt.
Tobi Lakmaker
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Tobi Lakmaker
Die Geschichte meiner Sexualität
Neue Rezensionen zu Tobi Lakmaker
Wann ist ein Mann ein Mann?
Sofie. Ein Name, der Weiblichkeit verspricht. Mit 17 soll sie sich als Frau fühlen, als sie von Walter entjungfert wird. Das Ganze mit einem Küsschen gekrönt. Da sind ihre Haare noch lang. Später soll sie sich weiblich fühlen, als ihr nach dem Akt ein Handtuch hingeworfen wird. Die Kapitel enttäuschender Begegnungen mit dem anderen Geschlecht enden glücklicherweise, als sie Jennifer kennenlernt. Zugegeben, auch die Zusammentreffen mit dem gleichen Geschlecht sind nicht immer von Erfolg gekrönt, doch für Sofie ist es ein bedeutender Schritt, um er selbst zu werden.
Heute heißt Sofie Tobi und hat mit "Die Geschichte meiner Sexualität" eine Autobiographie verfasst, die mich zum Lachen und Weinen gebracht hat. In 15 irrwitzigen Kapiteln erläutert Lakmaker die Skurrilitäten heutiger Partnersuche und zeigt trotz der wohltuenden Selbstironie auf, welche Schwierigkeiten queere Männer und Frauen auch gegenwärtig zu überwinden haben. In dem Zusammenhang verwundert es nicht, dass der Autor immer wieder von Angstzuständen und Panik erzählt, die ihn fast alltäglich begleiten.
Was mich als heterosexuelle cis-Frau an diesem Buch begeistert, ist der Erzählstil. Lakmaker nimmt kein Blatt vor den Mund und spricht aus, was unseren Eltern - und vielleicht sogar uns - die Schamesröte ins Gesicht treiben würde. Dabei ist der Ton so wundervoll dreist, dass es eine erfrischende Abwechslung zur dagegen fast schon langweiligen Literatur darstellt.
Ein Autor, der unglaublich viel Mut beweist!
Eine Uni, mit der man niemals auf Exkursion gehen sollte!
Ein Verlag, bei dem Beharrlichkeit auf ganz eigentümliche Weise belohnt wird!
Und dazwischen immer wieder die Frage: Ab wann ist ein Mann ein Mann?
Hervorragende Gratwanderung zwischen Komik und Dramatik!
Ich habe heute an einem Tag ein Buch gelesen. Das ist mir schon länger nicht mehr passiert, und es passiert mir in den meisten Fällen nur, wenn etwas Besonderes geschieht. Heute ist etwas Besonderes passiert, ich habe ein Jahreshighlight beendet. Und es ist noch viel mehr als das. Als ich die letzte Seite von Tobi Lakmaker's "Die Geschichte meiner Sexualität" gelesen habe, habe ich geweint. Eigentlich weine ich immer noch, während ich das hier schreibe. Ich zittere und habe keine Ahnung, wohin mit meinen ganzen Emotionen. Dabei ist es gar nicht so lange her, dass ich während der Lektüre noch gelacht habe, dass ich die Geschichte umarmen wollte, weil sie mir von der ersten Seite an so viel gegeben hat, dass ich einzelne Sätze oder ganze Passagen ausschneiden wollte, um sie mir irgendwo in die Wohnung zu hängen, um sie jeden Tag zu lesen, weil sie einfach ein Gefühl, das du die ganze Zeit selbst schon hattest, aber nicht benennen konntest, auf den Punkt bringen oder so wunderschön sind, dass wohl der schönste Rahmen der Welt nicht gereicht hätte. Wie kann ein Mensch, den du nicht kennst, Wörter so zusammenfügen, dass sie zu Sätzen werden, die so klingen, als wären sie geradewegs aus deinem Kopf und Herzen hinausgeschrieben worden? Kein Wunder, dass mich dieser riesige Ballon an Emotionen quasi überrollt hat, als ich heute Morgen nur ein paar Seiten in die Geschichte hineinlesen wollte.
Dabei erzählt Tobi Lakmaker hier eigentlich 'nur' seine Geschichte, als er noch Sofie Lakmaker hieß und versuchte die Frau zu sein, die andere in ihm sahen. Aber das macht er mit einer so unglaublichen Zerbrechlichkeit und Poesie, aber gleichzeitig mit einem so auf den Punkt gebrachten und humorvollen Schreibstil, dass dieses großartige Buch nicht nur sehr viel mehr Aufmerksamkeit verdient, sondern der Geschichte zu Ehren Feiertage eingeführt und Paraden veranstaltet werden müssten.
"Wisst ihr, was das Sympathische an Fennas Vater ist? Er kriegt auch so ein Stechen in der Brust, wenn er Angst hat. Das hat er mir mal erzählt. Wenn jemand einem so was erzählt, ist man bei dieser Person für den Rest des Lebens sicher."
"Wisst ihr, was das Ding ist mit der Liebe? Du musst dem ganzen Prozess trauen. Nicht nur dem Anfang, nicht nur dem Ende - den ganzen verfluchten Prozess. Aber das könnte ich nicht."
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