Rezension zu "The Garneau Block" von Todd Babiak
In Deutschland würde man die Teletsky-Wongs aus dem kanadischen Edmonton als typische 68er bezeichnen. Dr. Raymond Teletsky steht kurz vor dem Rentenalter vor dem Problem, dass sich für seine Philosophie-Kurse kaum noch Teilnehmer anmelden. Das gewohnte Verhältnis der Generationen hat sich umgekehrt; denn Teletsky muss hilflos akzeptieren, dass nun junge Männer als Golfkriegs-Veteranen ihren Professoren die Gegenwart erklären. Raymonds Frau Shirley betreibt einen Laden für ökologisch korrekten Schnickschnack. Beide empfinden ihre eigene Generation als verwelkt. Proteste zu den Umwelt- Problemen des Clayoquot Sunds oder die Überlegung, dass man ja eigentlich die Starbucks-Kette boykottieren müsste, sind typische Relikte ihrer eigenen Jugend, jedoch leider völlig ungeeignet, mit den aktuellen Problemen der Gegenwart umzugehen. Als da wären: Das Haus Nr. 10 steht leer, seit der Mieter Benjamin Perlitz dort ums Leben kam und Frau und Tochter anschließend untertauchten, die Universität möchte alle Häuser des so genannten Garneau Blocks aufkaufen und Madison, Anfang 30, muss ihren Eltern endlich gestehen, dass sie nach einem One-Night-Stand schwanger ist. Unterstützung für Madison und die gesamte Strasse naht völlig unerwartet von Ravinder, dem jungen Inder von gegenüber, von dem man bisher nur weiß, dass er jeden Tag frisch gestylt mit dem Aktenkoffer sein Haus verlässt. The Garneau Block ist eine vordergründig tragikomische Familiengeschichte, die die Sprachlosigkeit zwischen der hoch qualifizierten, aber in prekärem Arbeitsverhältnis tätigen Madison und ihren sozialromantisch veranlagten Eltern darstellt. Sehr treffend lästert Todd Babiak über die Eifersüchteleien zwischen Edmonton und der Nachbarstadt Calgary ab, analysiert die Abhängigkeit Kanadas von seinen Ölreserven und bearbeitet im Gewand des geplanten Museumsprojekts für den Garneau Block das Verhältnis der Kanadier zu ihrer Geschichte und zu den Einzelgeschichten von Einwanderern aus aller Herren Länder. Auch wenn man als Ausländer nicht alle Anspielungen auf das Kanada der Gegenwart, auf Edmonton und den "genetisch bedingten Minderwertigkeitskomplex" seiner Bürger verstehen wird, empfiehlt sich Todd Bobiak mit seinem zweiten Roman als viel versprechender junger kanadischer Autor.