Das Buch Web 2.0: Konzepte, Anwendungen, Technologien von Tom Alby ist eines der wenigen in jüngster Zeit erschienen deutschen Fachbücher über neue Phänomene des Internets. Es liegt mittlerweile in einer 2. aktualisierten Auflage vor und hat 245 Seiten. Das gesamte Buch hält sich relativ eng, an den von Tim O'Reilly vorgeschlagenen Geschäftsmodellen.
Im ersten Kapitel wird zudem eine unterhaltsame Geschichte der Online-Kosten in Deutschland erzählt. Wen's interessiert. Hier schon fallen die Vorliebe für Fußnoten (eigentlich eine geisteswissenschaftliche Marotte) und für Apple Produkte (auch eine geisteswissenschaftliche Marotte) auf. Im zweiten Kapitel werden Blogs durch genommen. Eigentlich eines der besten Kapitel, aber auf problogger finden sich weitaus weitreichender Anweisungen, die leider nur in englisch sind. Das Podcasting schon nicht mehr sein Ding ist, kann man im dritten Teil sehen, dass im Vergleich zum Blog-Kapitel doch stark abfällt und noch Apple-lastiger ist. Dann werden im vierten Kapitel eine Reihe von Social Software Anwendungen durchgehechelt, wobei man durchaus bescheinigen kann, das es sich um die Leuchttürme im mittlerweile doch sehr großen Ozean der verfügbaren Anwendungen handelt. Folksonomies sind das Thema im fünften Kapitel und hier beginnt das Buch arg zu schwächeln. Das Semantic Web wird mit keinem Wort erwähnt (nur einmal im Glossar) und ich kann an dieser Stelle nur empfehlen das Buch "Everything is miscellaneous " von David Weinberger zu lesen. Warum Kapitel 6 "Das Web als Plattform" und Kapitel 4 "Social Software" nicht zusammengeführt wurden, kann ich nicht verstehen. Das Technologiekapitel ist sehr kurz geraten und bis auf die Ausführungen über RSS daher nutzlos. Im achten Kapitel über Geschäftsmodelle wird eine wenig über Google gelästert, aber im Prinzip die traurige deutsche Realität beschrieben, in der das Web 2.0 eher unter ideologischen als unter ökonomischen Gesichtspunkten diskutiert. Der im neunten Kapitel gebotene Ausblick auf das Web 3.0 kommt interessanterweiser wiederum ohne das Semantic Web und deren Protagonisten aus, die den Begriff Web 3.0 doch eingeführt haben, als sie von der Web 2.0 Welle überrollt worden sind. Der interessanteste Teil des Buchs sind sicherlich die Interviews mit verschiedenen Spielern der recht übersichtlichen Web 2.0 Szene in Deutschland.
Das Buch ist ein weiterer Beleg, dass deutsche Fachbücher über Social Software, Web 2.0, und Internetökonomie einfach nicht das Niveau entsprechender angloamerikanischer Fachliteratur erreichen. An manchen Stellen flackert das sicherlich vorhandene medienwissenschaftliche Wissen des Autors auf, wenn er Walter Benjamin oder Ludwig Wittgenstein zitiert. Das wird aber extrem sparsam eingesetzt, um Leser nicht abzuschrecken. Ich wünschte mir von deutschen Autoren den Esprit, den amerikanische Schreiber besitzen, die keine Angst haben, ihre Leser mit historischen Exkursen zu konfrontieren, um so neue Einsichten und Ansätze zu generieren. Insgesamt ist das Buch sicher nicht völlig ohne Wert, aber eine Anschaffung sollte man sich wirklich überlegen, wenn man auf bessere englischsprachige Bücher zurückgreifen kann.