Für dieses Buch "Hart entsaftet in den USA" von Tom Långstrøm eine Rezension zu schreiben, ist alles andere als einfach. Denn in allererster Linie - so verspricht es die Aufmachung und der Beschreibungstext - handelt es sich hierbei um sogenannte Einhand-Lektüre. In diesem Fall um schwule Einhand-Lektüre. Also um ein Buch, welches der sexuellen Stimulation dienen soll, wenn man Interesse an Sex unter Männern hat.
Völlig anders als der Mainstream aus diesem Metier, nimmt sich der Autor jedoch extrem viel Zeit, seine Geschichten zu entwickeln. Hier folgt nicht Sexszene auf Sexszene in rascher Folge, womit die Erwartungshaltung, die man als Leser an derartige Bücher hat, zunächst nicht erfüllt wird. So ertappte ich mich beim Lesen der ersten Seiten der ersten Geschichte immer wieder bei der Frage, wann es denn endlich losgeht.
Bis es dann endlich losging, hatte sich für mich eine Geschichte entfaltet, die mich - und das völlig unerwartet - mehr und mehr gefangen nahm. Denn hier wird nicht einfach so der Beischlaf zweier (oder mehrerer) Herren in den Fokus gerückt, sondern viel mehr stehen die Protagonisten im Vordergrund. Und die sind nicht nur sympathisch, sondern teilweise recht vielschichtig und spannend konstruiert. Ganz besonders in den ersten drei Geschichten. (Zum Beipiel die Szene, in der Officer Bajer in der Wüste zu Tom zurückfährt ... ich musste die Luft anhalten, weil das so dicht geschrieben ist. Diese Szene ist mir extrem unter die Haut gegangen. Hier sitzt jedes einzelne Wort und keines ist zu viel oder zu wenig.) Denn Im Gegensatz zu anderer Einhand-Lektüre treffen hier Menschen aufeinander und keine Oberflächen.
Die Geschichten in diesem Buch fühlen sich dadurch über weite Strecken manchmal wie Liebesgeschichten an. Womit dieses Buch für mich zwischen allen Stühlen sitzt und damit eigentlich völlig aus dem Bereich der Pornografie herausfällt, obwohl es auf vielen Seiten absolut pornografisch ist.
Einerseits gut gezeichnete Charaktere, die echt und wirklich menschlich rüberkommen, andererseits harter, schnutziger Sex. Und diese Sexszenen gehören für mich mit zu dem Besten, was ich in der Richtung bislang gelesen habe. Auch wenn Tom Långstrøm meines Erachtens manchmal ein wenig dazu neigt, hier etwas zu dick aufzutragen. Trotzdem findet er immer noch rechtzeitig den Absprung. Wenn auch manchmal erst im letzten Moment...
Was sich zudem durch die Gesamtheit dieses Buches zieht: Der Autor versteht es, mit der Erwartungshaltung der Leser zu spielen. Und fällt auch damit aus dem Mainstream der Einhand-Lektüre heraus. Die Geschichten sind durchaus recht intelligent konstruiert und damit spannend zu lesen. Dadurch tritt das eigentliche Ziel eines solchen Buches immer wieder in den Hintergrund, was jedoch überhaupt nicht schlimm ist, wenn man sich einmal darauf eingelassen hat, weil das Lesen Spaß macht. Auch sprachlich gefällt es mir. Und einige Momente sind tatsächlich ergreifend, und spätestens hier fängt es für mich an, verrückt zu werden.
Denn:
Hey! Das ist doch Einhand-Lektüre!
Ist es auch.
Nur auf dem Weg dahin sind das Geschichten, die mal witzig, mal ernsthaft, aber dabei immer sehr menschlich daherkommen. Was eine mehr als angenehme Abwechslung im Meer der billigen Erotiklektüre ist, die eigentlich nur von der Oberfläche lebt. Womit dieses Buch in diesem Metier aber einen schweren Stand haben dürfte.
Einordnen kann ich "Hart entsaftet in den USA" aber nicht. Es ist weder klassische Einhand-Lektüre, noch sind es klassische Liebesgeschichten. Es hängt irgendwo dazwischen. Aber beide Seiten dieser Medaille erhalten von mir 5 Sterne, weil sie wirklich gut gemacht sind und mich absolut positiv überrascht haben.