Cover des Buches Sommerhit (ISBN: 9783352008146)
Rezension zu Sommerhit von Tom Liehr

Rezension zu "Sommerhit" von Tom Liehr

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 13 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 13 Jahren
Falk Lutter ist 14, als er während eines Urlaubs am Balaton mit seiner Familie an der Österreichisch-Ungarischen Grenze die Flucht in den Westen versucht. Doch nur Falk und seiner Mutter gelingt es, in den Westen überzusetzen. Hier muss sich Falk ganz neuen Herausforderungen stellen. Der dickliche Junge mit den auffälligen blauen Augen, der von der Natur aus mit der seltenen Gabe des absoluten Geruchssinnes ausgestattet ist, findet keine Freunde. Er ist der Ostler, der Looser und ständige Außenseiter in der Klasse. Auf der Abi-Abschlussfahrt nach Strassburg kommt zu einer Katastrophe, die Falk in den nächsten Jahrzehnten nie wirklich loslässt. Im Laufe der Zeit wird aus dem dicken Jungen von damals ein bekannter Musiker, der unter einem neuen Namen einen großen Hit landet. Und dann ist sie plötzlich da, die Gelegenheit, den ehemaligen Mitschülern die erlittene Schmach zu vergelten. Wenn man den Klappentext und die Inhaltsbeschreibung des neuen Buchs von Tom Liehr liest, könnte man glauben, es erneut mit einem Protagonisten zu tun zu haben, der trotz fortschreitenden Alters die Phase der Pubertät nie wirklich hinter sich lässt. Spätestens nach den ersten Seiten aber wird klar - Falk Lutter ist anders. Das mag zum einen an seinem ausgeprägten Geruchssinn liegen, der nicht nur Falk in manch abstruse Situation bringt, sondern auch den Leser oft genug rot werden oder grinsen lässt, zum anderen aber liegt es in Falk Lutters Persönlichkeit selbst, denn der Junge muss durch die Republikflucht und den Neuanfang im Westen schnell erwachsen werden. Der Weg zum Erwachsenwerden ist steinig, ist geprägt von Gruppenzwängen in der Klasse, die gelegentlich in Gewalttätigkeiten ausarten, Einsamkeit und familiären Schwierigkeiten. Dennoch wird aus Falk ein zufriedener Mensch, der dank seines musikalischen Talentes und eines Quäntchen Glücks seinen Platz im Leben findet. Die traumatischen Erinnerungen an die Abi-Abschlussfahrt lassen ihn jedoch nicht los und als sich über 25 Jahre später die Gelegenheit ergibt, schlägt Falk auf geniale Art und Weise zurück und lässt das Kartenhaus, das seine Mitschüler aus ihren Lebenslügen erbaut haben, auf einen Schlag zusammenbrechen. Zurück bleibt weder bei Falk noch beim Leser ein schales Gefühl für die genommene Rache, sondern die Erleichterung und das Wissen, die Vergangenheit endlich hinter sich lassen zu können. Ich habe Falk Lutter sehr gerne auf seinem langen Weg begleitet, der mich durch die frühen 80er, die Zeit der Wende, die Zeit nach der Wende, die 90er bis hin ins neue Jahrtausend geführt hat. Ich bin zwar 5 Jahre jünger als Tom Liehrs Protagonist, konnte mich aber in vielen Beschreibungen, Liedern, ja, Lebensgefühlen wiederfinden. Es war ein bisschen auch eine Reise in meine eigene Jugend- und Schulzeit und in die Zeit der Selbstfindung auf dem Weg ins Erwachsenenleben. Es ist ein leiser, fast schon ernsthafter aber nie humorloser Weg, den Tom Liehrs Protagonist geht, aber einer, der ohne krachlederne Witze auskommt und sich statt dessen durch feine Zwischentöne und -nuancen auszeichnet. Tom Liehr gelingt hier die perfekte Gratwanderung zwischen Tragik und Komödie, sodass man dieses Buch wirklich mit einem lachenden und einem weinenden Auge liest (im wahrsten Sinne des Wortes). Die hartgesottenen Tom Liehr-Fans sollte das nicht abschrecken, denn zwischendurch blitzt er doch wieder durch, der ganz besondere Humor des Autors. Ich sage nur - Bastelzombie (liebe Leser, nach der Lektüre dieses Buches werden sie wissen, wer damit gemeint ist). Es gab Bücher von Tom Liehr, da hätte ich den Protagonisten am liebsten dauerhaft an den Füßen aus dem Fenster gehängt, weil er mich so furchtbar genervt hat. Bücher, bei denen ich eher das Gefühl hatte, sie wären für die männliche Hälfte der Erdbevölkerung geschrieben worden und bei denen ich ehrlich gesagt froh war, als ich sie beendet habe. Umso schwerer ist es mir bei Sommerhit gefallen, Falk Lutter seines Weges ziehen zu lassen. Das Buch endet mit einem Satz, der genau das ausdrückt, was ich nach dem Umblättern der letzten Seite empfunden habe: Oh won't you stay just a little bit longer, sang Jackson Brown Schade, Falk Lutter, dass Du nicht noch ein bisschen länger bleiben konntest. Machs gut, vielleicht sieht man sich ja irgendwann mal wieder.
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