Warum nicht mal den illegalen Drogenkartellen näher auf die Finger schauen mit einer ganz neuen Sichtweise? Drogenhandel als ein weltweit agierendes Unternehmen, wie jedes andere auch. Allerdings, da gibt es doch so manche Unterschiede. Diesem Thema nachgegangen ist Tom Wainwright in seinem Buch Narconomics mit dem entsprechenden Untertitel „Ein Drogenkartell erfolgreich führen“.
Niemals zuvor habe ich in einem Buch so viele Merkzettelchen verklebt wie in diesem. Ich werde nun also versuchen, die, wie ich finde, wichtigsten Punkte kurz und knapp aufzuführen. Einer der Sätze, den ich sinngemäß wiedergeben möchte ist die Erkenntnis des Autors, dass den Konsumenten nicht deutlich genug gemacht wird, welche Gewaltakte sie mit dem kurzen Rausch finanzieren. Dass sie für ein paar Dollar kriminelle Machenschaften unterstützen, die den Gräueltaten der sogenannten IS in nichts nachstehen. Sei es mit Enthauptungen, die noch dazu, auch wie bei der IS, gefilmt werden, Folterungen, Drohungen, Entführungen und so weiter und so weiter. Und die Konsumenten wissen niemals wirklich genau, was sie da eigentlich zu sich nehmen, was die Stärke, Konsistenz, Inhaltsstoffe und deren zusätzlicher Wirkungen angeht. Sie sind nie klinisch getestet oder begutachtet worden. All das, was wir bei Medikamenten, Lebensmitteln, Kinderspielzeug und vielem mehr erwarten und auch wollen wird bei illegalen Drogen über den Haufen geworfen. Wainwright geht darauf immer wieder ein.
In diesem Buch geht es hauptsächlich darum, Drogenkartelle mit weltweit agierenden Unternehmen zu vergleichen. Was lernen Drogenbosse von anderen Unternehmen? Eines der wichtigsten Erkenntnisse, die sicher nicht neu, aber nie wirklich klar und oft genug genannt wurde, ist, hat ein Land in Südamerika sein Drogenproblem in den Griff bekommen, weichen die Drogenbarone in das nächste aus. Das nun sauberere Land bekommt ein dickes Lob von den Regierungen, die die meisten Konsumenten haben, von Weltbank, UN und wem auch immer, aber das eigentliche Problem ist geblieben. Es wurden und werden Unsummen dafür ausgegeben, die Drogenherstellung zu kappen, aber was passiert? Es gibt immer mehr. Ein anderer Weg muss gefunden werden. Der Autor erklärt das an mehreren gescheiterten Beispielen und regt auch neue Wege an, um den Drogenhandel zu stoppen.
Was für legale Unternehmen eine gute Grundlage ist in andere Länder zu investieren, nämlich internationale Ranglisten, das gilt natürlich auch für die illegalen. Hier wird beispielsweise aufgeführt, wo am wenigsten Bürokratie für Firmengründungen bestehen, Korruption eingedämmt wurde, eine hohe Anzahl an Polizei beziehungsweise viel Geld in Sicherheit angelegt wird. Dort gehen Drogenkartelle natürlich nicht hin. Sie sehen sich die Länder am Ende der Ranglisten an, dort, wo Korruption am höchsten angeprangert wird, die Bestechlichkeit von vor allem Regierungsbeamten beziehungsweise Polizei beklagt wird, dort sehen sie ihr Entwicklungspotenzial.
Bei der Wahl ihrer Mitarbeiter greifen die Kartelle gerne auf Gefängnisse zurück. Meist werden sowieso Bandenmitglieder in ein und das selbe Gefängnis gesteckt. Und falls noch jemand einfährt der nicht dazu gehört - bis er aus dem Knast entlassen wird, gehört er dazu. Hier berichtet Wainwright von Bemühungen einiger weniger, die in ihren Gefängnissen Geld investieren, um den Gefangenen lesen und schreiben beizubringen, einfach Bildung zukommen lassen, damit sie nach ihrer Entlassung zumindest eine Chance sehen, aus dem Teufelskreislauf auszubrechen, ihrem Leben eine neue Richtung geben können. Leider, so beschreibt es der Autor, werden hier eher die Gelder gekürzt, um sehr viel mehr der Polizei und deren Ausstattung zukommen zu lassen, obwohl die Statistiken zeigen, dass Bildung den Drogenkartellen ihre Mitarbeiter entreißen.
Aber Wainwright geht auf sehr viel mehr Themen ein. Franchising ist ebenfalls nicht unbekannt in der Drogenszene, auch das neue Geschäftsfeld Internet wird vertieft. Hier geht es wie beim legalen Markt darum, gute Bewertungen als Verkäufer wie als Käufer zu bekommen. Dafür gibt es spezielle Browser wie zum Beispiel Tor, als Währung gilt Bitcoin. Hier wird viel legales mit illegalem vermischt.
Die Erschließung neuer Märkte, neuer Kunden, auch hier orientieren sich Drogenbarone an dem, was andere weltweit agierende Unternehmen mit ihrer Warenstruktur auf die Beine stellen. Wenn die Ware Cannabis nicht mehr das Geld abwirft, was es soll, da es legalisiert wird, wie in einigen Staaten Amerikas, so wird die Infrastruktur für eine andere Ware, zum Beispiel Menschenschmuggel, genutzt.
Je höher die Mauern und Zäune, je höher die Strafen, desto höher der Gewinn bei den Kartellen. Egal ob Drogen, Menschen oder sonstiges Verbotenes. Und bei den Legal Highs war man am Anfang nobel, Verbot dann dennoch die sogenannten Kräutermixturen und kam dann nicht mehr hinterher, denn die Labore entwickeln immer schneller aber leider auch immer gefährlichere Legal Highs, die letztendlich auch wieder verboten werden. Ein Kreislauf, der immer schwieriger, wenn nicht bereits gar nicht mehr zu durchbrechen ist.
Und da sind wir wieder beim Konsumenten, den Personen, die am Ende dieser Kette stehen und gerne für einen Rausch Geld hinlegen ohne zu ahnen, was ihm, was ihr, statt Rausch drohen kann.
Wainwright will vor allem aufklären, aufrütteln, offen legen. Sicher, ich habe viel wiedergegeben aus dem Inhalt, der mir allerdings auch wichtig erschien. Der Schreibstil ist angenehm und überrascht mit immer neuen Herangehensweisen an dieses Thema. Der Autor hat viel auf sich genommen, um für das Buch zu recherchieren. Ob es bei wichtigen Entscheidern allerdings entsprechend Wirkung entfacht, wird man sehen.