Tore Renberg

 4,1 Sterne bei 133 Bewertungen
Autor*in von Die Lungenschwimmprobe, Von allen Seiten und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Tore Renberg (geb. 1972) nimmt in der norwegischen Literatur einen außergewöhnlichen Platz ein, sein literarisches Werk umfasst eine große Spannbreite. Er ist einer von Norwegens populärsten und erfolgreichsten Autoren, vielfach preisgekrönt, seine Bücher erscheinen in 23 Ländern. Die Lungenschwimmprobe ist sein erster historischer Roman, für den er mehrmals vor Ort in Sachsen war, um in Archiven, Museen und Kirchenbüchern Anregungen und Anhaltspunkte für seine Geschichte zu finden.

Quelle: Verlag / vlb

Neue Bücher

Cover des Buches Die Lungenschwimmprobe (ISBN: 9783442775750)

Die Lungenschwimmprobe

(109)
Erscheint am 10.12.2025 als Taschenbuch bei btb.

Alle Bücher von Tore Renberg

Cover des Buches Die Lungenschwimmprobe (ISBN: 9783442775750)

Die Lungenschwimmprobe

(109)
Erscheint am 10.12.2025
Cover des Buches Von allen Seiten (ISBN: 9783453271456)

Von allen Seiten

(5)
Erschienen am 04.03.2019
Cover des Buches Und zum Frühstück heller Sirup (ISBN: 9783423248518)

Und zum Frühstück heller Sirup

(5)
Erschienen am 23.05.2011
Cover des Buches Wir sehen uns morgen (ISBN: 9783453270732)

Wir sehen uns morgen

(5)
Erschienen am 10.04.2017
Cover des Buches Die Lungenschwimmprobe (ISBN: 9783844552218)

Die Lungenschwimmprobe

(3)
Erschienen am 21.10.2024

Neue Rezensionen zu Tore Renberg

Cover des Buches Die Lungenschwimmprobe (ISBN: 9783442775750)
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Rezension zu "Die Lungenschwimmprobe" von Tore Renberg

Gwhynwhyfar
Hätte man spannender schreiben können

Leipzig im Jahre 1681: die fünfzehnjährige Anna Voigt steht vor Gericht, weil sie ihr neugeborenes Baby getötet haben soll; und die Mutter gleich mit ihr, die das versucht haben soll zu vertuschen. Die Obrigkeit will sie verurteilt sehen, es droht Anna der Tod - wie vielen anderen Mädchen und Frauen in dieser Zeit, die des gleichen Verbrechens bezichtigt werden. Aber dieser Fall ist anders: Sie hat nicht nur einen mächtigen Vater, der sich für sie einsetzt, sondern auch einen Anwalt, der wissenschaftlich argumentiert. Mit dabei ein Arzt, der etwas spektakulär Neues wagt und die «Lungenschwimmprobe» einsetzt. Durch dieses soll nachgewiesen werden, dass es tatsächlich eine Totgeburt war, wie Anna hartnäckig versichert. Kann sie gerettet werden?


«Wir werden ja sehen, was das Gericht dazu meint. Das junge Ding hat sein Kind getötet, mehr habe ich zu der Sache nicht zu sagen, und Ihr seid ein Zauberer, Herr Schreyer, das kann Euch teuer zu stehen kommen, Anna Voigt muss ertränkt werden, sie muss bestraft werden!»


Tore Renberg hat sich einen wahren Fall vorgenommen, bei dem die fünfzehnjährige Anna Voigt, die Tochter von Hans Heinrich Voigt, dem Besitzer des Rittergutes Greitschütz, angeklagt wurde wegen Unzucht, Geburt im Geheimen und Tötung ihres Kindes. Die Köchin, der Knecht und der Lehrer gruben das tote Kind im Garten wieder aus, beschuldigen die Mutter beim Pfarrer, es umgebracht zu haben. Der junge Rechtsgelehrte Christian Thomasius übernimmt den Fall. Ein Mann der Wissenschaft, in einer Zeit des Umbruchs. Ein unbequemer Mensch für die Obrigkeit, der so vieles in Frage stellte, seine Vorlesungen auf Deutsch hielt, was ihm Ärger brachte, der großen Wert auf eine strikte Trennung von Recht und Moral legte, Wert auf eine scholastische Denkstruktur und Beweisführung legte, viel mit dem usus modernus zur Modernisierung der Rechtsordnung beigetragen hat, die Trennung zwischen Staat und Kirche. 


Der Stadtphysikus Dr. Johannes Schreyer war wissenschaftlich auf der Höhe seiner Zeit. Anna behauptete, das Kind sei tot geboren. Er führte die Obduktion des Babys durch und er hatte gelesen, dass die Lungen einer Totgeburt in Wasser versänken, da diese noch nicht entfaltet seien, diejenigen eines lebendgeborenen Kindes aber schwämmen, weil das Kind Luft eingeatmet hat. Die Lungen des Babys von Anna gehen unter. Schreyer und Thomasius gingen mit diesem Fall in die Historien der Gerichtsmedizin ein – letztendlich schufen sie eine neue Wissenschaft. Das damals geltende Gesetzbuch Constitutio Criminalis Carolina (Carolina) war überholungsbedürftig. Doch die Kirche stellte sich hartnäckig gegen die Naturwissenschaft. Und in diesem Fall ging es letztendlich nicht nur um Tochter und Mutter; Heinrich Voigt war kein Adliger, hatte das Gut nach der letzten Pest günstig erworben. Das war den Adligen ein Dorn im Auge, die keinen Emporkömmling in ihren Reihen dulden wollten – gern würden sie ihm das Gut wieder nehmen.


«Jene Frauen, die ein lebendiges oder wohlgebildetes Kind geboren haben und es heimlich, böswillig, vorsätzlich töten, werden gewöhnlich lebendig begraben und gepfählt. Um die damit verbundene Verzweiflung zu verhindern, kann die besagte Übeltäterin indes auch ertränkt werden, sollte das Gericht Zugang zu einer geeigneten Wasserstelle haben.» (Strafgesetzbuch 1532; Artikel 131)


Hier erzählt uns ein auktorialer Erzähler distanziert die Geschichte, der eingreift, erklärt, bewertet und erläutert, was in der weiten Zukunft geschehen wird, der Zeitsprünge füllt. Mal erzählend, mal beobachtend führt er uns durch den ziemlich langwierigen Prozess, der im Vergleich zu anderen Prozessen sich ewig in die Länge zieht – man will ja dem Vater an den Kragen. Amtmann Walther, ein Stiefellecker des Adels, lässt Anna und ihre Mutter, die erst mal untergetaucht sind, steckbrieflich suchen, als wären sie Mörderinnen, und Pastor Johann Benedict Carpzov schießt aus dem Hinterhalt mit seinen Kontakten. Der Erzähler wechselt oft die Perspektive, schlüpft in die verschiedenen Charaktere hinein, in ihre Gedanken. So erfahren wir auch etwas über den Henker der Stadt, über die gesellschaftliche Ächtung seiner Familie. Der Roman gibt ein gutes Gesellschaftsbild der Zeit wieder – der auslaufende Barock tritt ein in den Klassizismus und die Zeit der Aufklärung. Ein interessanter Fall, der von vielen Seiten befeuert wird und der Autor geht tief in seine Charaktere hinein, in Nebenstränge. Briefe und Sonette runden die Vielfältigkeit ab. Ich habe das ein oder andere Mal geblättert, für mich war es ein wenig zu zäh geschrieben, aber gekonnt. Wer nicht davor zurückschreckt eine ausgebreitete gut recherchierte Geschichte zu lesen, dem wird der Roman gefallen – denn der Fall der Anna Voigt und ihrer Familie berührt. 


Tore Renberg, geboren am 3. August 1972 in Stavanger, ist ein norwegischer Schriftsteller und Musiker. Er studierte Literaturwissenschaft und Philosophie an der Universität Bergen. Er arbeitet als Literaturkritiker und Journalist und moderierte darüber hinaus von 1998 bis 1999 eine eigene Sendung im norwegischen Fernsehen (NRK). Renberg hat in verschiedenen Genres veröffentlicht: Romane, Kinderbücher, Novellen, Theaterstücke und Filmdrehbücher.


Cover des Buches Die Lungenschwimmprobe (ISBN: 9783442775750)
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Rezension zu "Die Lungenschwimmprobe" von Tore Renberg

Gedankenlabor
"Die Lungenschwimmprobe" vonTore Renberg

"Die Lungenschwimmprobe" vonTore Renberg, aus dem Norwegischen übersetzt von Karoline Hippe und Ina Kronenberger ist ein atmosphärisches Werk, das uns als Leser in eine vergangene Zeit entführt und dabei eindrücklich zeigt, wie eng Leben, Wissenschaft und Moral doch miteinander verflochten sind. Besonders faszinierend empfand ich das Setting! Dem Autor gelingt es meinem Empfinden nach, das historische Umfeld lebendig werden zu lassen. Auch die Beschreibungen der medizinischen Praktiken und die gesellschaftlichen Verhältnisse jener Zeit bieten spannende und teils erschütternde Einblicke. Gerade die Auseinandersetzung mit der Medizin und den damaligen Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit macht das Buch zu einer aufschlussreichen und intensiven Lektüre, wie ich finde. Es regt zum Nachdenken an und zeigt auch auf wo vielleicht noch Schatten der Vergangenheit nachwirken.
Allerdings muss ich sagen hat der Roman auch einige Längen. Manche Passagen ziehen sich für mein Empfinden doch etwas, was den Lesefluss immer mal wieder ein bisschen gebremst hat.
Insgesamt ist "Die Lungenschwimmprobe" jedoch ein lesenswertes, tiefgründiges Buch, das mich durch sein Setting und seine historische Aspekte abholen konnte. Wer sich für die Verbindung von Geschichte, Medizin und gesellschaftlichen Fragen interessiert, wird hier auf seine Kosten kommen, denke ich – auch wenn man vielleicht ein wenig Lese-Geduld mitbringen sollte🤗📖

Cover des Buches Die Lungenschwimmprobe (ISBN: 9783442775750)
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Rezension zu "Die Lungenschwimmprobe" von Tore Renberg

Pongokater
Deutschland zwischen Aufklärung und Aberglaube

Tore Renberg hat aus meiner Sicht einen ganz großen Roman geschrieben, der fast an Umberto Ecos "Name der Rose" heranreicht. Er schildert -wie Goethe im "Faust"- den Fall einer Kindsmörderin, allerdings -anders als Goethe- den einer vermeintlichen Kindsmörderin. Diese angebliche Kindsmörderin, Anna Voigt, wird nicht zum Tode verurteilt (und das weiß der Leser auch von Anfang an, also kein Spoiler). Aber der Weg vor der Freilassung, die Schmähungen, die Folter, das "Leben" im Kerker töten sie schon, als sie noch lebt. Renberg macht anschaulich das Nebeneinander, die Gleichzeitigkeit, von Aufklärung und von kirchlich legitimiertem Aberglauben deutlich. Auf der einen Seite steht der Arzt Johannes Schreyer, der mit der noch heute anerkannten und praktizierten Lungenschwimmprobe beweist, dass das KInd tot geboren wurde. Auf der anderen Seite steht der orthodox lutherische Pastor Johann Bededict Carpzov, der den Wert solcher naturwissenschaftlicher Beweise abstreitet. Auf der einen Seite steht auch der Rechtsgelehrte und Philosoph Christian Thomasius, der die Verteidigung der Angeklagten übernimmt. Auf der anderen Seite steht auch der Amtmann Abraham Walther, der, nicht zuletzt aus eigensüchtigen Motiven, die Verurteilung von Anna Voigt vorantreibt. Ein in jeder Hinsicht bemerkenswerter Roman eines norwegischen Autors über Deutschland im 17. Jahrhundert.

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