Rezension zu "Strangeland" von Tracey Emin
Tracey Emin ist eine englische Künstlerin türkisch-zypriotischer Abstammung. Sie studierte am Goldsmith College in London und gehört der Gruppe der „Young British Artists“ an. Mittlerweile ist das Enfant Terrible bekannt für seine autobiografische Kunst. Eines ihrer Werke, namens My Bed wurde 1999 in die renommierte Turner-Prize-Ausstellung aufgenommen. Seitdem provoziert sie gerne das Interesse der Medien. Die Aktionskünstlerin, Schriftstellerin und bekennende Feministin ist seit 1997 Mitglied in der Royal Academy of Arts. David Bowie übrigens verglich sie mit „William Blake als Frau, geschrieben von Mike Leigh“. Jetzt endlich ist ihre Autobiografie, die bereits vor zwei Jahren in England erschien, ins Deutsche übersetzt.
Strangeland erzählt schonungslos, wie Tracey bei ihrer Mutter in ärmlichen Verhältnissen im südenglischen Küstenort Margarete aufwächst. Offen und ehrlich berichtet die Autorin von ihrer harten und verkorksten Jugend, wie sie dabei viel zu früh mit Alkohol in Berührung kam, mit dreizehn Jahren vergewaltigt wurde, sich später mit ihrem Vater, einem Türken aus Zypern aussöhnte, von ihren ersten Erfahrungen mit der Kunst, dem Trauma von zwei Abtreibungen und schließlich ihrem betrunkenen Auftritt im Fernsehen, der sie schlagartig berühmt machte. Tracey Emin schreibt keine durchstrukturierte Erzählung, sondern sie berichtet über sich selbst in lose aneinander gefügten Episoden. Drastisch, erschütternd, aber auch anrührend und zart lesen sich diese Einsichten der Künstlerin, die hier bewusst Bedeutsames neben Banalem stehen lässt. Alles findet gleichzeitig Erwähnung, alles was auch ihre Kunst auszeichnet, kommt zu Wort: eine Sammlung von Leidenschaften, Verlangen und pulsierendem Leben, gepaart mit roher Offenheit. Somit ist dieses Buch auch ein Werk voll Qual und Lust, voll Schönheit und Ekel, aber auch voll Witz und Humor, der sich immer dann über das Leiden hinwegsetzt, wenn das Leben unerträglich zu werden droht.
Tracey Emin ist eine verletzte Seele, deren Sprache, bedingt durch den brisanten und authentischen Hintergrund wütend und vulgär von dem Erlebten erzählt. Wer sich beim Lesen dieser Autobiografie an Charlotte Roches „Feuchtgebiete“ erinnert fühlen sollte, dem sei nochmals gesagt, dass dieses Buch im Original bereits zwei Jahre vorher erschienen ist.