Cover des Buches Wie Wölfe im Winter (ISBN: 9783959671323)
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Rezension zu Wie Wölfe im Winter von Tyrell Johnson

Ausser der Idee, ist da nichts.

von wandablue vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Misslungen!

Rezension

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wandabluevor 6 Jahren
Leider überhaupt nicht gelungen! Ausser der Idee ist da nichts.
Der Zug der Dystopien fährt und fährt erfolgreich durch die Landschaft. Diese Lok zieht gut genau so gut wie der Kriminalliteratur-Dampfer dampft. An diese Erfolgsgeschichte möchte Tyrell Johnson natürlich anknüpfen. Aber es misslingt jämmerlich.

Die Idee ist eigentlich ganz gut, wenn auch nicht neu. Dafür gibt’s zwei Punkte. Wieder einmal rafft ein Virus die Menschheit dahin und die Klimaveränderung sorgt für endlosen Winter. Die Nahrung wird knapp, in den Städten herrscht Chaos. Darum wandert die Familie der Heldin Lynn weit in den Norden, wo sie nach anfänglichen Schwierigkeiten ganz gut zurechtkommt. Inzwischen hat ein Massensterben eingesetzt, es gibt kaum noch Menschen. Aber eine Gruppe von Forschern des Projekts „Immunity“ überlebt und sucht nach Lynns Vater und nach dem geheimnisvollen Jax, der ihnen entwischt ist. Das ergibt wenigstens einen einigermaßen erträglichen Spannungsbogen.

Der Leser sieht durch Lynns Augen: die Natur, in der sie nun lebt unterscheidet sich gründlich von dem Stadtleben, das sie vorher führte. Inmer wieder betont sie, wie wenig sie davon vermisst. Dennoch gelingt es Tyrell Johnson nicht, in dem Leser ein Staunen bezüglich der überwältigenden Natur des winterlichen Nordens zu erzeugen. Johnson versucht es, führt die Aurora Borealis an, Bären, Elche, Rehe, Wölfe, Hunde, Iglubau, Schnee, Kälte, Wintersturm, vergeblich. Johnson müsste John Williams "Butchers Crossing" studieren, um zu sehen, wie Naturbeschreibung geht oder meinetwegen auch Iris Murdochs "Das Meer, das Meer" oder andere gute Autoren, die Naturbeschreibung können, Hermann Melvilles "Moby Dick", etc. (Vielleicht hat er, ich habs ja auch und ich könnte es trotzdem nicht).

Die Charaktere sind nur angedeutet, aber nicht ausgeformt. Mutter, Vater, Verehrer, Bruder, Nachbarn, alle haben nur ein paar skizzierende Linien verpasst bekommen, sie führen kein Eigenleben und interessieren daher nicht. Lynns Gedanken drehen sich um Sex und Fortpflanzung und als der geheimnisvolle Fremde Jax in die Familie kommt, wird’s arg rosarot. Selbst die Heldin wirkt oft ziemlich albern.

Aber am Schlimmsten ist die Sprache. Die meisten Bilder sind literarisches Blech, grobe Schnitzer gibt es zudem: Beispiele:

• Wie kann man sich denn "ein Gewehr um die Schulter schlingen", das ist einfach unmöglich. Man kann sich den Gurt des Gewehrs um die Schulter schlingen. But that is it.
• „Die Luft war gleichzeitig kühl und warm“. Das ist einfach falsch, das geht nicht.
Weitere Zitate:
• Meine Muskeln labten sich an der plötzlichen Bewegungslosigkeit wie ein ausgetrockneter Mund an einem Smoothie.“
• „Das Wort hing schwer und dampfend in der kalten Luft wie frisch geschlachtetes Fleisch an einem Haken.“
• „Mein Verstand kam mir wie eine Origamifigur vor, so oft, wie er inzwischen gefaltet worden war.“

Man verstehe mich nicht falsch: ein Jugendbuch kann eine einfache Sprache haben. Dennoch muss sie richtig sein. Originell ist nicht, was möglichst komisch klingt, sondern gelingt dann, wenn der Leser „Wow“ sagt, sich abgeholt fühlt, weil er das Gefühl, das die Wortschöpfung vermittelt, wiedererkennt, jedoch nicht bei Wendungen, bei denen er sich fremdschämend wegdrehen muss.

Bestenfalls, da der Autor Creative Writing studiert hat, kann man das Ganze als Versuch werten. Gut, Kreativität muss ausprobiert werden. Dafür habe ich Verständnis. Vielleicht werden die nächsten Vergleiche passender.

Fazit: „Wie Wölfe im Winter“, will mithalten mit guter Autorschaft, kann es aber nicht.

Verlag: Harper Collins, 2018
Kategorie: Dystopie
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