Das Symbol der Freiheit...
von parden
Kurzmeinung: Die Himmelsscheibe im Zentrum eines historischen Romans - spannend, unterhaltsam, lehrreich und lesenswert!
Rezension
DAS SYMBOL DER FREIHEIT...
Nebra vor 4000 Jahren: Lange haben sich die Menschen der Willkür des mächtigen Fürsten Orkon gebeugt, der das Volk quält und ausbeutet, sich nimmt, wonach immer es ihn gelüstet. Jetzt endlich regt sich Widerstand. Die junge Priesterin Rana will Orkons dunkle Herrschaft brechen und die Menschen befreien. Das Werk ihres Vaters soll ihr dabei helfen: eine bronzene Scheibe, die den Sternenhimmel zeigt und eine geheime Botschaft der Götter enthält. Sie steht für die Göttin des Lichts, die dem Hass Liebe entgegensetzt. Doch Ranas Weg ist gefährlich, viel steht auf dem Spiel. Auch das Leben derjenigen, die ihr am liebsten sind...
Wer mich kennt, der weiß, dass historische Romane nicht zu meinen bevorzugten Genres gehören. Ein 'Quotenbuch' pro Jahr muss da in der Regel genügen. Da ich aber vor kurzem von 'Der Attentäter' von Ulf Schiewe recht angetan war, beschloss ich, auch seinem neuesten Roman die Chance zu geben, mich zu begeistern. Neugierig war ich obendrein. Immerhin spielt diese Handlung in der Bronzezeit, also vor ca. 4000 Jahren. Es gibt aus dieser Zeit zwar etliche Funde (wie z.B. die Himmelsscheibe von Nebra), aber keine schriftlichen oder mündlichen Überlieferungen. Wie authentisch würde also solch ein Roman gelingen?
Ich gebe zu, dass ich anfangs etwas erschlagen war von den zahllosen Charakteren, Örtlichkeiten, Gottheiten, gesellschaftlichen, politischen und religiösen Zusammenhängen, Riten und Gebräuchen. Notwendig, sicherlich, um einen Eindruck von Viehzucht und Ackerbau zu erhalten, vom Handwerk der damaligen Zeit, von der Dorfstruktur, vom Machtgefüge, von den Bauten, den Heiligtümern, den gängigen Nahrungsmitteln - und von vielem anderen mehr. Dies ging v.a. im ersten Viertel des Romans zulasten der eigentlichen Handlung, die dadurch etwas stockend in Fahrt kam.
Ab dem zweiten Viertel jedoch steht die Handlung selbst zunehmend im Mittelpunkt, wobei Ulf Schiewe durch wechselnde Perspektiven und Handlungsstränge für einen umfassenden Blick des Lesers sorgt und gleichzeitig die Spannung hochhält. Die junge Rana, geweihte Priesterin der Göttin Destarte, reift im Laufe der Erzählung von einem eher naiven Mädchen zu einer willensstarken Frau heran, die durch flammende Reden auch andere zu überzeugen vermag.
Dabei setzt Rana die von ihrem Vater - einem Schmied - in langer Arbeit gefertigte und verfeinerte Bronzescheibe ein, die Mond und Sterne in einer bedeutsamen Konstellation darstellt und dabei lt. Ranas Vater das geheime Wissen der Götter darstellt. Die junge Priesterin nutzt die Möglichkeiten dieser Himmelsscheibe auf ihrem Weg gegen den langjährigen Unterdrücker zwar nicht in der von den Göttern implizierten Weise, wohl aber als Symbol der Freiheit, das in seiner Kunstfertigkeit viele Menschen zu beeindrucken weiß.
Wem es nicht bereits während der Lektüre deutlich wird, der erfährt spätestens im Nachwort des Autors von seiner wieder einmal überaus akribischen Recherche. Mehr als von mir vermutet, beruht die Handlung des Romans auf Fakten (Funden von Kultstätten, Gräbern, Siedlungen usw.), so dass hier tatsächlich ein glaubwürdiger Einblick in die Zeit vor ca. 4000 Jahren gewährt wird.
Um diese bekannten Fakten herum hat Ulf Schiewe dann seiner Fantasie freien Lauf gelassen und eine spannende Erzählung gesponnen. Vieles musste er sich ausdenken, wie z.B. die Namen der Götter, die damals 'en vogue' waren - hier wählte er eine Anlehnung an eine Mischung aus germanischen und griechischen Göttern. In einer Leserunde führte der Autor dazu aus:
"Die Archäologie kann uns nichts über Gottheiten verraten. Die Menschen damals waren nicht schriftkundig und haben keine Dokumente hinterlassen. Also musste ich mir Gottheiten, Mythen und zum Teil Riten (außer bei Begräbnissen) ausdenken. Da germanische und griechische Götterwelten sich in vielem ähneln und beide indoeuropäischem Ursprung sind, müssen sie auf gleichen Urmythen aufbauen. Das war jedenfalls meine Überlegung."
Das Buch lässt sich flüssig lesen, der Schreibstil ist eingängig und fließend. An einigen Stellen geriet mir die Sprache allerdings zu umgangssprachlich. Nicht dass eine derbe Ausdrucksweise nicht zu den teils sehr derben Charakteren passt, aber manches gehört sicher nicht zu den Redewendungen von vor Tausenden von Jahren (z.B. auf S. 157: "Wir haben ihm den Arsch gerettet" oder auch auf S. 158: "Bist du dämlich, Mann?" oder das letzte Wort eines Sterbenden: 'Scheiße'). Das sind für mich eher flapsige Ausdrücke der heutigen Zeit. Ansonsten zeigt der Text jedoch schon das Bemühen um eher altertümliche Redewendungen...
Alles in allem kann ich diesem historischen Roman rund um die Himmelsscheibe von Nebra jedenfalls positive Prädikate bescheinigen: spannend, unterhaltsam, lehrreich und lesenswert!
© Parden