Cover des Buches Keltenzorn (ISBN: 9783954511327)
Rezension zu Keltenzorn von Uli Aechtner

Die durchgeknallten Erben des Vercingetorix

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 10 Jahren

Kurzmeinung: Ein solides Stück Krimihandwerk, aber unfair seinem Thema gegenüber.

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 10 Jahren
"Keltenzorn" heißt der Roman und prahlt am Einschlagband damit, "Der Kelten-Krimi!" zu sein. Tatsächlich hat das, was die beiden Autorinnen Uli Aechtner und Belinda Vogt da vorgelegt haben, sehr viel mit dem geheimnisvollen Volk zu tun, welches seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. weit verstreut über Europa gelebt hat und dessen sprachliches Erbe noch heute, vor allem auf den Britischen Inseln, in Irland und in Frankreich zu finden ist. Da sind einmal die handelnden Personen, die eng mit der archäologischen Keltenforschung zu tun haben und da sind die beiden Fundorte Glauberg (D) und Bribracte (F), an denen der Roman hauptsächlich handelt. Ein vermeintliches Keltengrab wird geplündert und eine Reihe von Personen wird nach keltischen Riten auf grausame Weise ermordet. Die junge, noch nicht arrivierte Archäologin Mara ist gemeinsam mit einem von seinem Beruf traumatisierten Polizeibeamten eng an der Aufdeckung der geheimnisvollen Morde beteiligt. Von den ersten bis zu den letzten Zeiten lässt uns dabei der Keltenstoff nicht mehr los. Er bildet nicht nur den atmosphärischen Hintergrund des Krimis, sondern auch die inhaltliche Klammer des eigentlichen Handlungsbogens. Die Kenntnis keltischer Geschichte ist der Schlüssel zum Lösen des Falles, das begründet die Involvierung der Archäologin Mara in die Lösung des Falles. Das ist der Trick des Romans, das ist seine Stärke und seine Schwäche zugleich.

Unbestreitbar ist der derzeit beobachtbare Keltenboom in Europa und den USA ein wichtiger Beweggrund für die Wahl des Stoffes. Das Thema interessiert, man würde gerne auf unterhaltsame Art mehr darüber erfahren. Das Keltenrevival hat sein politische, historische, kulturell-sprachliche aber auch religiöse Dimension. Die beiden Autorinen verknüpfen davon zwei Elemente: die historische Forschung, indem sie Menschenopfer der Kelten als Ausgangspunkt der Handlung wählen und das Druidentum, welches als Spielart neuheidnischer Religionen einen nicht unbedeutenden Anteil an den spirituellen Bewegungen der Gegenwart hat. Der daraus erzielte Spannungsbogen erzeugt eine geheimnisvolle Romanwelt zu der/die Durchschnittsleserin normalerweise keinen unmittelbaren Zugang hat. Es lässt sich mit recht einfachen Mitteln ein zwischen Fantasy und Realität wechselndes Romangeschehen erzeugen, das nicht nur ungewöhnlich ist, sondern aus dem auch voyeuristischer Genuss gezogen werden kann. Darauf bezieht sich auch meine Kritik an diesem Buch: Obwohl die keltischen Elemente des Romans gut und glaubwürdig recherchiert wurden, sind sie nur scheinbar authentisch. Die Autorinnen verkürzen nämlich keltische Geschichte auf spektakuläre Menschenopfer und desavouieren gleichzeitig die gegenwärtige Druidenbewegung ("Druidry") , in dem ihre ProtagonistInnen durchwegs als durchgeknallte Mörder und Opfer geschildert werden.

Nun ist es natürlich das Recht und sogar die Aufgabe von Schriftstellern "Fiction" zu erzeugen. Sie dürfen beim Schreiben auch nicht zu stark der Faktizität verhaftet bleiben - sonst wären sie eben keine Roman- sondern SachbuchautorInnen. Dass sie aus ihrem Stoff dramaturgisch tragfähige Elemente ausgewählt haben, ist den beiden AutorInnen von "Keltenzorn" daher nicht zum Vorwurf zu machen. Im Gegenteil, sie haben sauber recherchiert und sehr professionell, spannend und intelligent erzählt. Unglaubwürdig wird der Roman allerdings dort, wo die historischen Kelten auf die ihnen zugeschriebenen Menschenopfer reduziert werden, um damit schriftstellerischen Mehrwert zu erzeugen. Das fand ich weder historisch vertretbar noch fair gegenüber den VertreterInnen des heutigen Druidentums, welches sich sehr stark humanitären Zielen verpflichtet fühlt. Es schadet eben auch der Glaubwürdigkeit der Handlung.

Dennoch darf zu dem Buch geraten werden. Es ist ein Stück solides Krimihandwerk, das sich aus der Masse vieler Romane deutschsprachiger Provenienz heraushebt. Nun gut, die Liebesgeschichte hätte man sich ersparen können, denn sie wirkt aufgesetzt und kommt seltsam betulich einher. So etwas müsste eigentlich einem sorgsamen Lektorat zum Opfer fallen. Insgesamt aber darf nochmals zum Kauf des Buches geraten werden. Vielleicht verführt es wider Erwarten auch dazu, sich mehr mit den Kelten zu beschäftigen, ohne Zorn und mit mehr Fairnis!
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