Bei "Ulrich Greiners Lyrikverführer" sollte doch eigentlich der Name Programm sein. Die Leserinnen und Leser sollten durch das Lesen dieses Buches dazu angeregt werden, ihre Augen für die Möglichkeiten zu öffnen, die lyrische Texte bieten, welche farbenfrohe Palette an Entdeckungen es gibt, die man beim Lesen eines Gedichts machen kann. Kurz gesagt will Ulrich Greiner seiner Leserschaft die Augen dafür öffnen, was sie bisher beim Lesen eines Gedichtes nicht gesehen haben, oder einfach nicht wahrhaben wollten.
Das ist es also, was das Buch erzielen will. Nur leider muss ich sagen, dass ich dabei das Ziel leider ein wenig verfehlt sehe. Zwar kann man sich bei einem Sachbuch, das es zum Ziel hat, seine Leserinnen und Leser zu informieren, und nicht, diese zu unterhalten, nicht erwarten, dass dieses mit poetischer Sprache und einem flüssigen Schreibstil aufwartet. Insofern fand ich das Buch ein wenig trocken. Zwar begleitet Greiner seine Leserschaft Kapitel für Kapitel so durch die verschiedenen Themen eines lyrischen Textes, dass diese anschaulich erklärt bekommt, wie ein Gedicht aufgebaut sein kann, was es vermitteln kann, und welche versteckten Geheimnisse es enthalten kann. Dabei braucht man dennoch Geduld, und die Muse, diese Fülle an Informationen aufzunehmen. Allerdings muss man sagen, dass sich diese Mühe letztendlich lohnt. Man bekommt sehr interessante Gesichtspunkte eines lyrischen Textes aufgezeigt, auf die ich bei meiner bisherigen Lektüre von Gedichten zum Teil nicht geachtet habe. Das ganze bekommt man dann auch noch sehr schön in Gruppen und zum Thema passend, vor allem aber immer mit einem Gedichtbeispiel recht anschaulich erklärt. Sicherlich ist das, was in diesem Buch erklärt und beschrieben wird, für Menschen, die sich bereits intensiv mit dem Thema der Lyrik und all seinen Facetten auseinandergesetzt haben, nichts neues, aber gerade für Menschen, die da gerade Neuland betreten bietet das Buch einen enorm guten Einstieg. Man geht mit viel offeneren Augen durch die Welt der Gedichte - wenn man das so sagen kann. Und gerade für den Einsatz im Deutschunterreicht kann ich das Buch empfehlen. Zwar wird es einige Schülerinnen und Schüler durch sein trocken anmutendes Leseverhalten und das für Schülerinnen und Schüler doch recht uninteressante Thema abschrecken, doch trotzdem wird gut vermittelt, auf was es beim Lesen von lyrischen Texten ankommt, und vielleicht kann doch letztendlich bei dem einen oder anderen Schüler die Brücke gebaut werden, und man tritt mit mehr Elan und Begeisterung an das Thema des Gedichts heran. Leider muss ich dabei sagen, dass der zweite Teil der Buches, der sich aus 11 Gedichtinterpretationen zusammensetzt, nicht gerade dazu beitragen wird, sondern diese Brücken viel mehr wieder einreißt. Besagte Interpretationen konnten mich insofern nicht zufriedenstellen, da sie kein geschlossenes Ganzes abgeben. Bei beinahe jeder einzelnen von ihnen mangelt es an irgendeiner Stelle. Mal verzichtet der Verfasser darauf, auf essentielle sprachliche Merkmale, wie beispielsweise Reimschema oder Metrum einzugehen, oder zu erwähnen, welche rhetorischen Mittel eingebaut wurden, und was diese bedeuten. So macht der Autor in meinen Augen seine komplette Arbeit des ersten Teiles wieder zunichte, denn die Bestandteile, die im ersten Teil noch so voller Liebe und Pflege erklärt und den Leserinnen und Lesern nähergebracht wurden, werden im zweiten letztendlich mit dem Bulldozer gnadenlos wieder dem Erdboden gleichgemacht.
Im Nachhinein betrachtet, kann ich sagen, dass es teilweise besser gewesen wäre, wenn ich mir nur den ersten Teil zu Gemüte geführt hätte, da der zweite das, was der erste bei mir persönlich erreichen konnte, in gewissen Teilen wieder zunichte gemacht hat.